Szene aus "Walküre", Probenfoto, Mann mit Speer

DPA/ENRICO NAWRATH

Anklang

Oft fehlt der Zusammenhang, wenn die Oper gar so lang

Richard Wagners Werke sind wahrlich nicht immer leicht zu verstehen. Komplex sind die Zusammenhänge, die Verhältnisse, die Intrigen und Verbindungen. Hinter jeder Figur steckt eine Geschichte, die eigentlich bereits eine eigene Oper füllen könnte.

Wenig verwunderlich daher, dass für ein Eintauchen in die Wagnersche Welt nicht nur ein offenes Ohr und ein gutes Erinnerungsvermögen, sondern auch ein solides Sitzfleisch benötigt wird - auf knappe 16 Stunden Gesamtdauer kommt etwa der „Ring des Nibelungen“. Wobei einem mit dem ersten Teil der Tetralogie, dem „Rheingold“, mit 2 1/2 Stunden immerhin ein sanfter Einstieg gegönnt ist.

Wagners Werk (und damit seine Gedankenwelt) zu verstehen, fordert dem Publikum also Einiges ab. Das Pathos der Wagnerschen Sprache macht die ganze Sache dabei nicht gerade dienlicher. Wagner war sein eigener Librettist, und präsentierte diese literarische Arbeit mit Stolz (woran es ihm ja allgemein nicht mangelte).

Weia! Waga! Woge, du Welle! Walla zur Wiege! Wagalaweia! Wallala Weiala weia!“

So trug er etwa in einem literarischen Salon in Zürich 1853 an vier Abenden sein gesamtes „tetralogisches Gedicht“ vor. Allein der Gesang, den die Rheintöchter zu Beginn des ersten Teiles des „Rings“ anstimmen, mutet da schon kurios an: „Weia! Waga! Woge, du Welle! Walla zur Wiege! Wagalaweia! Wallala Weiala weia!“ - Ein „bombastisches Alliterationsgestotter“, wie es einst Eduard Hanslick bezeichnete (, der wahrlich kein Wagner-Fan war!).

Der seltsame Taumel solch verbaler Ausbrüche zieht sich durch das Gesamtwerk der Ring-Tetralogie, was an manchen Stellen durchaus für Schmunzeln sorgt.

Szene aus "Das Rheingold"

APA/ROLAND SCHLAGER

Wagner aufs Wesentliche reduziert

Zum Schmunzeln bringt auch Lou Olmeir mit ihrem Buch „Wagner neu versifiziert“, wenn sie die Kernstränge der Wagnerschen Handlungen in knapper und durchaus humorvoller Weise aufs Wesentliche reduziert. Jeder eingefleischte Wagnerianer und jede eingefleischte Wagnerianerin wird wohl mitwissend nicken, wenn es zu Beginn des „Rheingold“ heißt:

Schon am Anfang, der sehr schwer
Scheitert mancher Regisseur,
denn wir sind im Flusse Rhein,
und drin sollen Nixen sein.

Fast jeder ist mit jedem verwandt

Alle kommen sie vor - vom Göttervater Wotan über die Held/innen Siegmund, Siegfried und Brünhilde bis zu den Nixen im ersten und den Nornen im vierten Teil. Und weil bei Wagner auch nicht immer alles ganz durchschaubar ist (schließlich ist fast jeder mit jedem verwandt), und seine Gedankengänge aufs Erste vielleicht nicht immer ganz nachvollziehbar sind, darf man auch einmal mit Achselzucken das Hinscheiden etwaiger Protagonisten hinnehmen:

Jetzt reut Wotan der Verlust
Siegmunds und voll Frust
Bringt er einfach Hunding um.
Man weiß nicht genau, warum.

Wenn der vierte Teil eigentlich der erste ist

Mehr als ein Vierteljahrhundert hat Wagner an seiner Ring-Tetralogie gearbeitet - er selbst hat den Faden nie verloren, sondern im Gegenteil immer weitergesponnen, und auf seine ganz eigene, unverwechselbare Weise ein komplexes Gesamtkunstwerk kreiert. So komplex, dass der vierte Teil - die „Götterdämmerung“ - eigentlich der erste ist. Und da kann es dann wirklich schon etwas verwirrend werden…

Oft fehlt der Zusammenhang,
wenn die Oper gar so lang.
Wagner, der das auch so sah,
bietet was bis jetzt geschah


Na also.

Wirklich kann das nur versteh’n,
wer ein echter Wagner-Fan!

Der neu versifizierte Wagner von Lou Olmeir führt (neben sämtlichen anderen Wagner-Opern) durch das „Rheingold“, die „Walküre“, „Siegfried“ und die „Götterdämmerung“, und lässt Wagners Welt in zusammenfassender und nacherzählender Weise, mit Augenzwinkern erlebbar werden.

Manch einer, für den die 16 Stunden des „Ring“ keine Überwindung, sondern pflichtgetreue und verehrende Muße sind, wird sich am Schluss dann vielleicht dasselbe denken wie die Autorin:

Schön war’s, und das macht vergessen,
dass man hier so lang gesessen.
Wirklich kann das nur versteh’n,
wer ein echter Wagner-Fan!


Gestaltung: Eva Teimel

Service

Lou Olmeir, „Wagner neu versifiziert“, Verlag: My Morawa