Weinviertler Museumsdorf Niedersulz

NADJA MEISTER

Das Objekt der Begierde

Weinviertler Museumsdorf Niedersulz

Das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz in Niederösterreich wurde 1979 gegründet und zeigt ein idealtypisches Weinviertler Zeilendorf aus der Zeit um 1900.

Schaukelpferd

WEINVIERTLER MUSEUMSDORF

Den Grundstein für das Museumsdorf legte der Niedersulzer und Kirchenmaler Josef Geissler, der viel „altes Klumpert“ gesammelt hatte und in der aufgelassenen Volksschule ein Dorfmuseum gründete. Die Gemeinde stellte ihm dann ein fünf Hektar großes Areal am Sulzbach zur Verfügung, auf das 1979 als erstes Gebäude ein mehr als 200 Jahre alter Weinviertler Streckhof übertragen wurde. Seither ist das Dorf Hof um Hof gewachsen und umfasst derzeit rund 80 größere und kleinere Gebäude auf 22 Hektar: Häuser der Bauern, Handwerker und Kleinhäusler samt Nebengebäuden und Inventar, eine Dorfschule, eine Kirche, einen Friedhof, ein Wirtshaus, eine Greisslerei. Dazu typische Blumen-, Gemüse- und Kräutergärten, Streuobstwiesen, Äcker, einen Weingarten und sogar lebende Bauernhof-Tiere.

Wagnerei mit Familiengeschichte

Der jüngste Zugang ist die Wagnerei Halmschlag aus Hollabrunn, die 2019 zum 40jährigen Jubiläum des Freilichtmuseums eröffnet wurde. Von den ersten Gesprächen bis zur Fertigstellung vergingen jedoch fast zehn Jahre, erzählt Veronika Plöckinger-Walenta, die wissenschaftliche Leiterin des Weinviertler Museumsdorf Niedersulz: „Das Museumsdorf hat das komplette Inventar bis hin zu Dachstuhl, Türen und Fenster geschenkt bekommen von der Familie Halmschlag. Wir haben das nach dem Original-Grundriss wieder aufgebaut, nur das Wohnhaus, das direkt angeschlossen ist, wurde nicht mehr aufgebaut.“

Die Mauern, der Verputz und der Boden der Werkstatt sind originalgetreu neu errichtet, der Dachstuhl, die Fenster und Türen und die gesamte Einrichtung wurden sorgfältig restauriert und wieder eingebaut.

Die große Werkstatt wurde 1910 von der Familie Halmschlag gegründet und war bis 1981 in Betrieb. Franz Halmschlag senior und junior haben alle Transportmittel und Gegenstände hergestellt, die man benötigte: Leiterwagen, Truhenwagen, Schlitten, Baumwägen, Stiele für Werkzeug, Leitern und Ferkelkisten.

Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts, als Ochsenwagen und Pferdefuhrwerk mehr und mehr von Traktor und Auto verdrängt wurden, war das Hauptgeschäft die Reparatur bestehender Wagen und die Fertigung von Rodeln und Schiern für den Privatbedarf.

Im Museumsdorf wurden alle Maschinen und Werkzeuge - von der Bandsäge über die Drechselbank bis zu Hobeln, Sägen, Bohrern und Schablonen für die Räder – so in der Werkstatt angeordnet, wie sie zuletzt in Gebrauch gewesen waren.

Das freut die Geschwister Halmschlag, die die Wagnerei dem Museumsdorf geschenkt haben, weiß Veronika Plöckinger-Walenta: „Franz Halmschlag der Dritte war nicht mehr Wagner, aber er hat in dieser Werkstatt kleine Arbeiten gemacht und bei den Eltern mitgeholfen. Für ihn ist das jedesmal eine Zeitreise. Er sagt immer, er ist in seine Kindheit und Jugend zurückversetzt, weil wir alles dorthin gestellt haben, wo es in Hollabrunn gestanden ist. Die Maschinen könnte man sogar in Betrieb nehmen.“

Ein Museumsobjekt mit Familiengeschichte

Das Schöne an der Wagnerei Halmschlag sei, dass sie nicht nur komplett ausgestattet ist und das gesamte Handwerk zeigt, sondern dass man auch die Familiengeschichte dazu kennt. Es gibt sogar Fotos der Handwerker und der Werkstatt aus verschiedenen Zeiträumen. Auf einem Foto sind vor der Werkstatt zwei Dinge zu sehen, die für die Kinder der Familie gefertigt wurden: Ein Leiterwagerl und ein Schaukelpferd.

Die wissenschaftliche Leiterin des Museumsdorfs freut sich, dass dieses Schaukelpferd nun ebenfalls in einem kleinen Zubau zur Wagnerei steht - in einer eigenen Vitrine.
„Das war mein Objekt der Begierde und auch das von Herrn Halmschlag. Er wollte das ursprünglich nicht dem Museumsdorf geben, sondern sich behalten. Verständlicherweise. Er hat dieses Schaukelpferd schon von seinem Vater bekommen. Hergestellt hat es um 1912 sein Großvater. Und sein Vater, seine Geschwister und er selber haben mit diesem Schaukelpferd gespielt. Also da hängt sehr viel persönliche emotionale Erinnerung daran. Aber mir hat das halt auch sehr gut gefallen, und es ist ein wichtiges Objekt der Wagnerei, von dem man die Geschichte kennt. Letztendlich konnte ich den Franz Halmschlag überreden, dass er dieses Schaukelpferd dem Museumsdorf schenkt.“

Zum Vermittlungsprogramm „Wie war das damals?“ kommt er auch immer wieder ins Museumsdorf und erzählt Geschichten über das Schaukelpferd und die Wagner-Werkstatt.

Gestaltung

  • Sonja Bettel

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