Pflänzchen auf vertrocknetem Boden

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Was, wenn doch …? Drei Perspektiven zur Klimakrise

Was, wenn doch die Zeit abläuft? Was, wenn die Menschheit die letzten Jahre vergeudet, die noch verbleiben, um die Klimakatastrophe zu verhindern? Was, wenn unseren Kindern kein lebenswerter Ort auf Erden bleibt? Was, wenn in einem Sommer eine Milliarde Tiere verbrennen, und alle sehen auf ihren Handys zu? Und was, wenn es doch eine Revolution gäbe? Eine wirkliche? Wenn die Finanzwelt die fossile Energie als ökonomische Sackgasse erkennen würde? Oder wenn ein Virus der Weltwirtschaft den Stecker zöge und über Industriemetropolen plötzlich blauer Himmel erstrahlte?

Die Klosterneuburger Aktivistin Manya Ghahremani, Gründungsmitgleid der Parents for Future in Österreich.

In der Klimakrise überschlagen sich Fragen und Ereignisse. Das Tempo der Auseinandersetzung nimmt stetig zu. Wie in einer Zentrifuge werden wir zwischen den Polen Hoffnung und Resignation hin- und her geschleudert. Wir leben in einer Zeit, in der der Kollaps unserer Ökosysteme uns unmittelbar bedroht. Doch unsere Gesellschaften und ihre politischen Repräsentant/innen sind noch nicht entschieden genug, um aus althergebrachten Denk- und Handlungsmustern auszubrechen und sich für radikal neue Wege zu entscheiden, um ihre eigenen Kinder und Kindeskinder zu schützen.

Drei Perspektiven

Willi Schwope lebt in Berlin Spandau, ist 19 Jahre alt und betreibt den Klimaaktivismus zuweilen als Fulltimejob. Manya Ghahremani lebt mit ihren drei Kindern und ihrem Mann in Klosterneuburg und ist Gründungsmitglied der Parents for Future, für die sie sowohl lokal wie auch global arbeitet. Stefan Rahmstorf ist Ozeanphysiker und einer der renommiertesten Klimaforscher der Welt. Er leitet die Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und ist bei den Scientists for Future engagiert.

Mutter Natur ist heiß genug, hört auf sie anzubaggern!

Willi Schwope in der Mitte protestierender Menschen in Berlin.

Willi Schwope in der Mitte protestierender Jugendlicher in Berlin.

ORF/FRANZISKA DORAU

"Was, wenn die Mehrheit der Bevölkerung nicht begreift ...?" Willi Schwope

Ich habe diese drei Personen ausgewählt, weil ich denke, dass es die Zivilgesellschaften sein werden, die entscheiden, ob die Transformation gelingt oder nicht. Und weil ich die Kinder und Jugendlichen, die Eltern und die Wissenschaftler im Augenblick für deren stärkste Vertreter/innen halte. Sie sind diejenigen, die die Gefahren des unkontrollierten Klimawandels ungeschönt aufgezeigt und zudem ein ehrgeiziges Narrativ entwickelt haben - eine "gute Geschichte der Transformation, in der die Menschen gern vorkommen wollen", wie Stefan Rahmstorf es formuliert. Ein Narrativ, das Politik, Wirtschaft und Finanz nun langsam auch für sich entdecken.

Stefan Rahmstorf am Potsdam Earthstrike 2019.

Stefan Rahmstorf am Potsdam Earthstrike 2019.

ORF/FRANZISKA DORAU

Mit der Physik lässt sich nicht verhandeln

Die Covid-19-Pandemie, die während meines Recherchezeitraums ihren Lauf nahm, ließ den "Wir sind hier, wir sind laut"-Aktivismus viele Wochen stillstehen, bis kreative Formen gefunden wurden, um mit den neuen gesellschaftlichen Parametern umzugehen. Ob die damit einhergehenden, gravierenden Maßnahmen es möglich machen werden, globale Handlungsfähigkeit auch in Bezug auf die Klimakrise einzufordern, ist noch offen.

Für demotivierenden Defätismus hätten wir jedenfalls weniger Zeit denn je, sagt der Klimaforscher Stefan Rahmstorf. Vielmehr gelte es, das soeben angebrochene Jahrzehnt in eine Dekade heroischer Anstrengung zu verwandeln. Die Jahre zwischen 2020 und 2030 werden entscheiden, ob es einen irreversiblen und unkontrollierbaren Klimawandel gibt oder nicht. Die Physik gibt den Zeitrahmen vor. Und mit der Physik lässt sich nicht verhandeln.

Jetzt, oder nie

Insofern könnte die Coronakrise eine historische Gelegenheit für den ökosozialen Umbau der Gesellschaften sein. Ob er gelingt, meint Rahmstorf, wird davon abhängen, ob die Zivilgesellschaften sich gegen alte, eingefahrene Lobby-Netzwerke behaupten können, die versuchen, ihre fossilen Wirtschaftsstrukturen künstlich am Leben zu erhalten. Mit den enormen Investitionsmengen, die wir jetzt in die Hand nehmen, müssen wir gleichzeitig die Klimakrise lösen. Eine zweite Chance werden wir nicht haben.

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