Das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch.

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Das Objekt der Begierde

Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch

Coca-Cola zur Verhütung? Krokodilskot? Oder lieber die Spirale? Was macht die Pille danach? Wozu wurde das Bidet erfunden? Was ist ein Muttermund? Und was ist eine Engelmacherin? Diese und andere Fragen dürfen im Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch gestellt werden. Auf viele davon bekommt man hier auch Antworten.

Das Museum ist eigentlich ein Museum der Geschichten, so Christian Fiala, Leiter des Museum, Gynäkologe und Teamleiter des 2003 gegründeten Ambulatoriums für Schwangerschaftsabbruch und Familienplanung, das sich im selben Stockwerk eines Altbaus am Mariahilfer Gürtel unweit des Wiener Westbahnhofs befindet. Jedes ausgestellte Objekt erzählt eine Geschichte und gibt Informationen über den Erfinder, den Verkauf, Vertrieb oder Anwendungsmöglichkeiten weiter. So soll jede und jeder nachvollziehen können, worin die Bedeutung in den Verhütungsmethoden liegt, und welche gesamtgesellschaftliche Errungenschaft es bedeutet, dass Frauen in Österreich im Großen und Ganzen risikofrei und legal ungewollte Schwangerschaften abbrechen dürfen.

Das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch entstand aus Christian Fialas Wunsch nach Aufklärung. Rein theoretisch, so der Gynäkologe, sei der weibliche Körper darauf ausgelegt, zwölf bis fünfzehn Kinder zur Welt zu bringen. Wer das nicht möchte, muss eingreifen. Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, sind in Österreich zwar durch die Fristenlösung seit 1975 legalisiert, doch längst nicht überall auf der Welt.

Umweg über die Vergangenheit

Christian Fiala begegnete bei seiner Arbeit in Thailand und Afrika zahlreichen Frauen, die an den Folgen illegaler Schwangerschaftsabbrüche starben. Das muss nicht sein, ist der Gynäkologe überzeugt. Das Museum selbst ist nicht besonders groß. Die zwei Hauptausstellungsräume widmen sich jeweils den beiden großen Themen "Verhütung" und "Schwangerschaftsabbruch" im Lauf der Geschichte. Der historische Umweg über die Vergangenheit ist für Christian Fiala wesentlich, um Wissen und Bewusstsein zu vermitteln. Vor Corona wurde das Museum vor allem von Schulklassen gut besucht.

Aktuell gibt es in Österreich pro Jahr etwa 30.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr. Vor der Einführung der Pille und der Verabreichung an ledige Frauen war die Zahl nach Schätzungen anerkannter Gynäkologen bis zu zehn Mal so hoch, erzählt Christian Fiala. Doch da Abtreibung ein so großes Risiko war für die Frauen, wurden zahlreiche weggelegte Neugeborene tot gefunden. Das, so Christian Fiala, war Ausdruck einer Verzweiflung in einem Ausmaß, das wir uns heute kaum mehr vorstellen können. Seit jeher versuchten Frauen, ihre Fruchtbarkeit zu zähmen, wie Christian Fiala es beschreibt. Das große Ziel von Verhütung ist, dass die Samenzellen nicht zur Befruchtung zur Eizelle gelangen.

Ein französisches Bidet.

Ein französisches Bidet

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Bidet - nicht nur zum Füße waschen

Einen zentralen Platz im Raum, der sich dem Thema "Verhütung" widmet, nimmt ein Gegenstand ein, den man nicht unbedingt in einem derartigen Museum erwartet: das Bidet. Viele kennen es, doch kaum einer kennt seinen eigentlichen Zweck. Selbst Großeltern geben, wenn sie danach gefragt werden, Antworten wie: zum Händewaschen, zum Füße waschen, zum Wäschewaschen oder gar zum Kinder waschen. Doch all diese Antworten sind, wenn man sie hinterfragt, unbefriedigend, erklären sich dadurch doch nicht die Form, Ausrichtung oder Höhe. Das liegt daran, dass der eigentliche Zweck mit Scham verbunden oder schlicht in Vergessenheit geraten ist. Das Bidet diente Frauen ganz einfach dazu, nach dem Verkehr die Spermien aus der Scheide zu waschen.

Dass diese Art der Verhütung nicht besonders gut funktionierte, liegt auf der Hand. Bis in die 1960er Jahre war in den sogar eine Art Springbrunnen integriert, im Fachjargon "Unterdusche" genannt. Wenn sich die Frau mit dem Rücken zur Wand auf das Bidet setzte und einen speziellen Wasserhahn aufdrehte, konnte mit der Unterdusche direkt die Scheidenspülung durchgeführt werden. Das war bei Kindern besonders beliebt. Wenn man sich nämlich nicht draufsetzte und die Unterdusche ganz schnell aufdrehte, dann ging - mit etwas Glück - der Wasserstrahl bis hoch an die Decke. Mit der Einführung der Antibaby-Pille wurden die Bidets schließlich obsolet. Trotzdem bauten viele sie nach wie vor nach guter alter Tradition in Badezimmer ein - ohne Unterdusche und ohne wirklich zu wissen wofür.

Die zweitwichtigste kulturelle Errungenschaft nach der Zähmung des Feuers

So wie das Bidet und andere verwandte Objekte, werden unterschiedliche Variationen aller möglichen Gegenstände, die mit Verhütung oder Schwangerschaftsabbruch zusammenhängen im Museum präsentiert. Seien es verschiedene spitze Gegenstände, mit denen die Fruchtblase aufgestochen wurde und in manchen Teilen der Welt noch immer wird, Hormonspirale oder Antibabypille.

Auch die Frage nach der Zukunft der Verhütung wird im Museum gestellt. Für Christian Fiala steht dabei immer "Kontrolle" über die Fruchtbarkeit im Zentrum. Und Kontrolle gelingt nun einmal am besten mittels Einflussnahme auf die Hormone. Hormonelle Verhütung - ob mittels Antibaby-Pille oder Hormonspirale - gilt als sicherste Verhütungsmethode. Gleichzeitig gibt es mittlerweile Kritiker, die vor den Folgen jahrelanger hormonelle Verhütung warnen. Zu denen gehört Christian Fiala nicht. Er streicht die Errungenschaft hervor, die der Zugang zur Antibaby-Pille für Frauen und die gesamte Gesellschaft mit sich brachte: nämlich die "Zähmung" der Fruchtbarkeit, die für ihn die zweitwichtigste kulturelle Errungenschaft nach der Zähmung des Feuers darstellt. Heute entspricht die Zahl der Kinder in Mitteleuropa relativ stark dem Wunsch. Ungewollte Kinder sind seltener geworden.

Verhütungsmethoden für Männer

Allerdings liegt die Kontrolle über die Fruchtbarkeit in den Händen der Frau, was Männer manchmal vor vollendete Tatsachen stellt. Sind die Spermien erst einmal draußen, hat man als Mann keinerlei Kontrolle mehr darüber. Und eine Vasektomie, also Durchtrennung der Samenleiter, ist irreversibel. Ihre Fruchtbarkeit wollen viele Männer dann doch nicht aufgeben. Christian Fiala plädiert daher für hormonelle Verhütungsmethoden für Männer. Geforscht wird jedenfalls. Gleichzeitig zeigen Studien, dass 80 Prozent der Frauen weiterhin selbst verhüten würden, da sie sich nicht auf ihren Partner verlassen wollen. Christian Fiala schätzt, dass bei etwa 80 Prozent der Paare beide Partner verhüten werden. Für ihn ein Happy End, da dann ein möglicher Kinderwunsch erst umgesetzt wird, wenn beide bewusst einwilligen.

Ob es tatsächlich ein "Happy End" bedeutet, wenn alle Männer und Frauen jahrelang hormonell verhüten, dass wird am Ende jede und jeder für sich entscheiden müssen.

Gestaltung: Margit Atzler

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