Gerhard Kubik

NINA BAUER

Hörbilder

Der Jazz und das Unbewusste

Der Musikwissenschaftler und Afrikaforscher Gerhard Kubik

Gerhard Kubik ist vielseitig: Der führende Experte für afrikanische Musik hat mit seinen musikwissenschaftlichen Entdeckungen Komponisten wie György Ligeti beeinflusst und die Wurzeln von Jazz und Blues in Afrika erforscht.

Der 85-Jährige ist auch Anthropologe mit Schwerpunkt Ethnopsychoanalyse und interessiert sich für das Unbewusste und Tabus in verschiedenen Kulturen. Außerdem ist Gerhard Kubik Musiker, spielt mehrere Instrumente und tritt regelmäßig mit seiner Jazzband auf.

Donald Kachamba, Gerhard Kubik und Moya Malamusi in Malawi

Donald Kachamba, Gerhard Kubik und Moya Malamusi in Malawi.

M. HILLEGEIST

Forschendes Hören

"Grinding Song", aufgenommen in Kamerun: Eine Frau singt auf der Veranda ihres Hauses und mahlt dabei Getreide. Das Lied hat eine Bluestonalität.

Seit mehr als 60 Jahren fährt der Wiener nach Afrika, hat mehr als ein Dutzend Bücher geschrieben und eines der umfangreichsten privaten Archive für afrikanische Musik und Oralliteratur aufgebaut. 36.000 Einzelaufnahmen auf Tonband, 20.000 Fotos, unzählige Stunden an Filmmaterial und mehrere Regale voll mit Forschungsprotokollen sind in seiner Wiener Arbeitswohnung untergebracht.

Trotz seines Alters arbeitet er unbeirrt weiter. Gerhard Kubik ist Professor an der Sigmund-Freud-Universität in Wien, hat mehrere Lehraufträge im In- und Ausland, hält weltweit Vorträge und streift monatelang mit dem Aufnahmegerat durch Afrika.

Mein Glück war die amerikanische Besatzungszone

Gerhard Kubik wuchs in Wien auf und war in der Schule immer Klassenbester. Mit Jazzmusik kam er in der amerikanischen Zone in Berührung. Er begann Klarinette zu lernen und in Jazzbands zu spielen. In den Bürojobs, die seine Mutter für ihn auswählte, hielt er es nie lange aus.

"Die Amis kamen mit dem Zug reingefahren und ihre Beine hingen beim Fenster hinaus, das hat schon beeindruckt. Ich musste ja in der Schule sitzen mit beiden Händen auf dem Katheder und wenn ich mit einer Hand nur versuchte mich zu kratzen auf dem Rücken, kam die Lehrerin bereits mit einem Stab und hackte auf meine Hände los und mein Glück war, ich war in der amerikanischen Besatzungszone. Jazz jede Menge, Charlie Parker, Stan Getz, mit dieser Musik bin ich eigentlich aufgewachsen."

Autostopp, Schiff und Bahn

1959 fuhr er zum ersten Mal nach Afrika. Er wollte sich auf die Suche nach den Wurzeln des Jazz machen. Per Autostopp, Schiff und Bahn gelangte er nach Ostafrika. Seit damals ist kein Jahr vergangen, in dem er nicht in Afrika war. Er fuhr mit seinem Tonbandgerät und seiner Kamera quer durch den Kontinent und ließ sich bei seinen Forschungsfragen vom Zufall treiben. Je nach Ort ergaben sich die unterschiedlichen Interessenschwerpunkte. In Westafrika zum Beispiel stieß er auf Musik, die bluesähnlich war.

"Eine zwölftaktige Bluesform besteht aus einem Statement, das dann beantwortet wird, dann das wiederholte Statement und Antwort und dann Conclusion und wieder Antwort. So jetzt dieses Yoruba-Lied (singt) Das ist Bluesform."

In Malawi lernte er den Musiker Donald Kachamba kennen, in dessen Jazzband er mitspielte. Dort traf er auch seine Frau. Mittlerweile ist Malawi zu seiner zweiten Heimat geworden. Gemeinsam mit seinem Schwager, dem Ethnologen und Musiker Moya Malamusi geht er in entfernte Dörfer und nimmt afrikanische Märchen auf. Wir sind die afrikanischen Brüder Grimm, sagt Gerhard Kubik.

Service

Bücher von Gerhard Kubik:

"Luftangriffe auf Wien 1944-1945 - Aufzeichnungen eines zehnjährigen Schülers", Lit Verlag, 2020
"Jazz Transatlantic", Volume I und Volume II, University Press of Mississippi, 2017
"Africa and the Blues", University Press of Mississippi, 2008
"Theory of African Music", Volume I und Volume II, Chicago Studies in Ethnomusicology, 1994

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