Traktor

APA/HELMUT FOHRINGER

Dimensionen

Wege zur Agrarwende

Fast ein Viertel der Treibhausgasemissionen stammen weltweit aus Landwirtschaft, Abholzung und Landnutzung. Bei der Fleischproduktion werden u.a. enorme Mengen an Methan frei - ein Treibhausgas, das noch klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. Die Ertragssteigerung in der Pflanzenzucht wirft zunehmed gentechnische Fragen auf. Die EU-Kommission versucht mit einem "Green Deal" gegen zu steuern.

Feldlerche und Wiesenpieper hört man nur noch selten, Schmetterlinge und andere Insekten verschwinden aus Wiese und Feld. Dazu kommen Äpfel, die 30-mal mit Pestiziden behandelt werden, technisierte (Massen-)Tierhaltung mit Antibiotikaeinsatz und Futtermitteln aus Übersee, Humusverlust in Äckern.

Kühe im Stahl

Umweltsünder Landwirtschaft

APA/DPA/SWEN PFÖRTNER

Die Zahl der Bauernhöfe in Österreich geht seit Jahren zurück. Die verbleibenden Betriebe bewirtschaften mehr Fläche und die Anzahl der Nutztiere pro Betrieb steigt - auf ein für viele inakzeptables Maß. Trotz dieser Tatsachen wünschen sich die beiden Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur Wien, der Ökologe Johann Zaller und der Nutztierwissenschafter Werner Zollitsch einen differenzierten Blick auf die Landwirtschaft.

Es greife zu kurz, nur die negativen Umweltwirkungen von landwirtschaftlicher Produktion zu betrachten. So gebe es auch eine ganze Menge Facetten an landwirtschaftlichen Aktivitäten, die positive Umweltwirkungen haben. Wie zum Beispiel Bodenschutz, Kohlenstoffanteil im Boden erhalten, Humusbildung, Schutz vor Abschwemmung, Erosion, Schließen regionaler Wasserkreisläufe und Biodiversitätsschutz.

Aber Faktum ist auch, dass es negative Auswirkungen auf die Umwelt gibt. So stammt weltweit fast ein Viertel der Treibhausgasemissionen aus Landwirtschaft, Abholzung und Landnutzung. Für Österreich sind die Werte geringer – die Landwirtschaft trägt hier nur zehn Prozent zu den Treibhausgasen bei.

So verzichtet man heute bei der Milcherzeugung, einem wichtigen Agrarzweig in Österreich, weitgehend auf importierten Sojaschrot. Fast jeder Liter Milch aus Österreich ist GVO-frei erzeugt, also ohne Eiweißfutter aus genmanipulierter Sojabohne. Allerdings findet auch in Österreich eine Entkoppelung von Boden und Tierproduktion statt. Das bedeutet, Mastschweine fressen zwar Mais, den die österreichischen Bauern auf den eigenen Feldern meistens in intensiver Monokultur anbauen - das Eiweißfutter für die Schweine, hauptsächlich Soja, kommt aber aus Übersee. Auch bei der Verwendung von synthetischen Pestiziden in Österreich ist kein rückläufiger Trend zu erkennen. Und dass, obwohl die konventionelle Anbaufläche – und nur dort wird damit gespritzt – zugunsten des Biolandbaus abnimmt.

Trotz allem schneidet die österreichische Landwirtschaft im internationalen Vergleich besser als andere Agrarsysteme ab. Dies sollte aber nicht von den Umweltproblemen, die die heimische Landwirtschaft hier und in anderen Weltgegenden verursacht, ablenken. Eine Wende in Tier- und Pflanzenproduktion scheint unausweichlich.

Jungbulle

Die Lust auf Fleisch und ihre Kosten

APA/DPA/JENS BÜTTNER

Mehr als 63 Kilogramm Fleisch verzehren Herr und Frau Österreicher im Schnitt pro Jahr, rund 50 Prozent mehr als die Weltbevölkerung im Durchschnitt. Die ökologischen Kosten sind laut Weltklimarat IPCC enorm.

Die Erzeugung von ein Gramm Rindfleisch benötigt etwa 20 Mal so viel Land und verursacht 20 Mal so viele Treibhausgase wie dieselbe Menge pflanzliches Eiweiß. Bei der Fleischproduktion werden u.a. enorme Mengen an Methan frei - ein Treibhausgas, das noch klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. Deshalb fordert der Weltklimarat die Halbierung des weltweiten Fleischkonsums bis 2050.

Während der Hunger nach Fleisch zwar in manchen Ländern wie China noch steigt, wächst in Österreich der Markt für Fleischersatzprodukte. Mittlerweile ernähren sich bereits zehn Prozent der Österreicher und Österreicherinnen vegetarisch oder vegan. Dazu geben rund zwei Millionen Menschen in Österreich an, flexitarisch zu leben. Sie ernähren sich überwiegend vegetarisch und essen nur gelegentlich hochwertig produziertes Fleisch.

Natürlich wird bei der Herstellung von Fleischersatzprodukten ebenfalls Energie verbraucht, fallen ökologische Kosten an. Trotzdem sieht die Klimabilanz besser als bei der Fleischproduktion aus. „Wenn man‘s bezüglich der Energie betrachtet und somit auch der Klimawirksamkeit schneiden Fleischersatzprodukte, auch wenn sie hoch verarbeitet sind, besser ab als Fleisch. Denn das Produkt muss nicht gefüttert werden die Sojabohne muss nicht gehalten werden, sie haben wirklich durchaus eine bessere Bilanz“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Michaela Knieli von der Umweltberatung in Wien.

Auch wenn die Produktion von Fleischersatzprodukten nachweislich umweltschonender ist als unsere Fleischwirtschaft, wirklich gesünder sind sie deshalb nicht zwangsläufig. Als Faustregel gilt, je weniger Inhaltsstoffe sich auf der Verpackung finden lassen desto weniger stark verarbeitet und nahrhafter sind die Produkte. Daher ist es für die Ernährungswissenschaftlerin Knieli wichtig darauf hinzuweisen, dass man auch daheim in der Küche fleischlos kochen kann, besser als große Produzenten.

Sonnenblumenfeld

Genetisches Design in der Pflanzenzucht

APA/DPA

Weizen, der längere Wärmeperioden besser aushält, Sonnenblumen, denen ein Unkrautvernichtungsmittel ein bisschen weniger anhaben kann, Mais, der längerer Trockenheit besser standhält - Dutzende neue Varianten altbekannter Nutzpflanzen werden jedes Jahr mit klassischen Züchtungsmethoden entwickelt: durch Kreuzungen oder auch durch Mutationen, die chemisch oder durch Bestrahlung herbeigeführt werden.

Für manche ist die Gentechnik nur ein weiteres, besseres Mittel zum Zweck - für andere ein inakzeptabler Eingriff in die Natur mit uneinschätzbaren Risiken für menschliche Gesundheit und Umwelt. In der EU wird heute weitgehend auf Gentechnik in der Landwirtschaft verzichtet. Neue Züchtungstechniken entfachen jedoch eine alte Diskussion neu.

Seit dem Frühjahr 2020 ist das erste Produkt aus einer genomeditierten Pflanze in den USA auf dem Markt. Es ist ein Sojaöl, dessen Fettsäurezusammensetzung als besser, weil gesünder angepriesen wird. Es stammt aus Sojapflanzen, die weniger gesättigte, "ungesunde", Fettsäuren enthalten, weil zwei der Gene für deren Herstellung blockiert sind. Dieses Blockieren haben Wissenschaftler durch gezielte Eingriffe ins Erbgut, durch Genomeditieren, erreicht. Im Gegensatz zu früher angewandten Methoden wurde keine Fremd-DNA in die Pflanze eingeschleust, das Genomeditieren hat Veränderungen bewirkt, die auch durch natürliche Mutation zustande kommen hätten können. Aus diesen Gründen zählt die Sojasorte wie andere, ähnlich gezüchtete Pflanzen, in Nordamerika rechtlich nicht zu den gentechnisch veränderten Organismen. In Europa tut sie das schon - mit weitreichenden Folgen, die von vielen in Wissenschaft und Pflanzenzucht bedauert werden.

Urs Niggli hat 30 Jahre lang das Forschungsinstitut für biologischen Landbau, kurz Fibl, in Frick in der Schweiz geleitet. Seit April 2020 ist er Obmann des österreichischen Fibl-Standorts. Er gilt als Vordenker des biologischen Landbaus. Für viele Menschen ist es daher überraschend, dass sich Urs Niggli positiv zu den neuen Züchtungsmethoden äußerte.

„Die Genomeditierung ist noch eine sehr junge Methode. Trotzdem sieht man heute schon, dass es sehr interessante Sorten geben wird, die werden jetzt in den Züchtungsprozess hineinkommen und werden in wenigen Jahren der Praxis zur Verfügung stehen. Man kann jetzt schon abschätzen, dass sie die konventionelle Landwirtschaft sehr viel umweltfreundlicher machen werden.“

Die Tatsache, dass sich in manchen Fällen das Ergebnis eines Eingriffes durch Genomeditieren nicht von dem durch andere Mutationen unterscheiden lässt, hat auch den Europäischen Rat auf den Plan gerufen. Knapp eineinhalb Jahre nach dem EuGH-Urteil, im November 2019, hat der Rat die EU-Kommission um eine Untersuchung gebeten. Diese soll klären, wie die neuartigen genomischen Mutagenese-Verfahren in Zukunft rechtlich eingestuft und reguliert werden sollen. Ein Ergebnis dieser Untersuchung soll bis Ende April 2021 vorliegen.

Weizenfeld

Ein Green Deal für Europa

APA/BARBARA GINDL

Weltweit verursacht die Landwirtschaft mehr als 20 Prozent der Treibhausgasemissionen. Dementsprechend sieht der "Green Deal" der EU-Kommission in diesem Bereich auch einige Veränderungen vor, etwa den reduzierten Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden. Die Bauern klagen allerdings schon jetzt über zu viele Vorschriften und fühlen sich beim ökologischen Umstieg im Stich gelassen.

Und sie fürchten, künftig nicht mehr mit den Preisen internationaler Agrarimporte mithalten zu können. Bisher werden durch die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) besonders großflächige Landwirtschaftsbetriebe finanziell gefördert, während kleine vielfach durch die Finger schauen.

Die gemeinsame Agrarpolitik gibt Mindestproduktionsstandards und Umweltauflagen vor. Die konkrete Umsetzung obliegt den Nationalstaaten und ihren Behörden. Der Naturschutz fällt wiederum in die Zuständigkeit der Bundesländer. EU, Bund, Länder, Gemeinden – alle reden mit und die Bürokratie in Österreich sei zum Verzweifeln, klagen viele Bauern. Den starken Bürokratismus gibt auch Klaus Salhofer, Agrarökonomie und Agrarpolitik-Experte am Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für Bodenkultur in Wien, zu. Allerdings seien Regeln wichtig – etwa um Produktionsstandards in der Landwirtschaft und den Naturschutz zu gewährleisten.

Der Großteil an Landwirtschaftsförderungen in Österreich – nämlich 61 Prozent – stammt aus dem EU-Topf. Auch hier ist die Grundlage die gemeinsame Agrarpolitik. Sie fußt auf zwei Säulen: Die erste orientiert sich vor allem an der Betriebsgröße – mit der Zweiten werden ländliche Entwicklung, Ökolandbau und Umweltmaßnahmen unterstützt. Zwei Drittel der Zahlungen fließen in die erste Säule. Die EU versucht seit 1992 diese Schieflage zu beseitigen und die zweite Säule gegenüber der ersten zu stärken, mit mäßigem Erfolg.

In der EU haben zwischen 2003 und 2013 mehr als ein Viertel aller Bauernhöfe zugesperrt. Große Betriebe gewinnen zusehends an Boden – wortwörtlich. Auch hierzulande verschwand seit 1970 mehr als jeder zweite Bauernhof. Die Größe alleine sage aber nicht unbedingt etwas über die Qualität der Landwirtschaft aus. Große Betriebe könnten sich zwar eher Investitionen in klimaschonende Technik leisten. Gleichzeitig werden dann oft nur noch Monokulturen angebaut, die Erde und Nährstoffe ausbeuten, beobachtet Sylvia Kay – Politikwissenschafterin am „Transnational Institute“ in Amsterdam.

Außerdem produzieren große Betriebe viel mehr, als dann tatsächlich verbraucht wird – alleine in Österreich landen jährlich eine Million Tonnen genießbare Lebensmittel im Müll. Auch hier will die neue EU-Kommission Veränderungen herbeiführen.