Lois Weinberger, Die Erde halten, 2010

PARIS TSITSOS

Ausstellung

"Fragile Schöpfung" im Dom Museum

Das Dom Museum am Stephansplatz in Wien hat sich in den letzten Jahren zu einem kleinen, aber feinen Museum von großer Strahlkraft gemausert. Nach Ausstellungen wie "Zeig mir deine Wunde" oder "Family Matters" wurde das Haus, das die Sammlung des legendären Monsignore Otto Mauer beherbergt, heuer mit dem Österreichischen Museumspreis ausgezeichnet. Die neueste Schau "Fragile Schöpfung" verhandelt wieder ein hochaktuelles Thema: das zerrüttete Verhältnis zwischen Mensch und Natur.

In einer zärtlichen Geste hält ein Mensch einen Haufen Erde wie ein Baby in der Armbeuge. Diese Fotoarbeit des Künstlers Lois Weinberger ist das Plakatmotiv der Ausstellung und weist darauf hin: das zentrale Thema hier ist der Beziehungsaspekt zwischen Mensch und Natur. Wie fühlt sich der Mensch von der Natur bedroht - zum Beispiel jetzt in Coronazeiten - und wie zerstört er sie?

Ein kostbares barockes Priestergewand, über und über mit bunten Blumen bestickt, lobpreist die Schöpfung ebenso wie eine kleine Bienenwabe, in der der Künstler Tim Ulrichs ein Kunstwerk von Bienen erschaffen ließ. Ein Madonnengemälde aus der Renaissancezeit feiert das natürliche Wachstum ebenso wie der danebenstehende Kinderwagen von Mark Dion, aus dem grüne Pflanzen sprießen.

Mensch als Krone der Schöpfung?

Das meistfotografierte Objekt dieser Schau ist ein zeitgenössisches Memento mori des Künstlers Matthias Kessler: Es zeigt einen Totenkopf im Aquarium, der von einer Garnele und zwei Einsiedlerkrebsen permanent geputzt wird. Johanna Schwanberg, die Leiterin des Dom Museums erklärt, dass der Totenschädel im Laufe der Ausstellungsmonate von Korallen überwachsen werden wird, die sich vom Kalk des menschlichen Knochens ernähren. Sie meint, "vielleicht ist das ein schönes Symbol dafür, dass der Mensch nicht die Krone der Schöpfung ist, wenn seine Substanzen in den Korallen weiterleben."

Gebirge aus Plastiksäcken

Beeindruckend ist auch das Erdschollenarchiv von Betty Baier oder eine Fotoarbeit von Cathrin Bolt, die ein erhabenes Gebirge darzustellen scheint, das aber aus Plastiksäcken besteht, die die Künstlerin aus der Donau gefischt hat.

Daneben sind Arbeiten von renommierten Künstlern wie Antoni Tapies oder Josef Beuys zu sehen oder eine der schönsten Gemeinschaftsarbeiten der österreichischen Nachkriegsavantgarde von Arnulf Rainer und Günter Brus. Die historischen Kunstwerke für diese Schau wurden ausschließlich aus Klöstern der Umgebung geholt, um weite Transportwege zu vermeiden.

Extra Budget für zeitgenössische Kunst

Was die Gegenwartskunst anbelangt: Da wurde viel angekauft, da es momentan wichtig sei, die heimischen Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen, wie Johanna Schwanberg sagt.

Johanna Schwanberg ist wieder einmal eine hervorragende Ausstellung gelungen, die über einen biblischen Satz nachdenken lässt wie "Macht Euch die Erde untertan". Sie zeigt aber auch einen Verantwortungsträger wie Noah, dem mit seiner Arche die Rettung der Artenvielfalt ein Anliegen war - er wollte nicht nur sich selbst in Sicherheit bringen.

Service

Dom Museum - Fragile Schöpfung. Die Ausstellung ist bis zum 28. August 2021 zu sehen.

Gestaltung