Konrad Paul Liessmann

APA/GEORG HOCHMUTH

Salzburger Nachtstudio

Das große Atemholen?

Konrad Paul Liessmann über Leben und Denken nach der Pandemie.

„Wie ein Verbannter muss ich leben!“ beschrieb einst Ludwig van Beethoven die Folgen seiner Taubheit, vor allem die soziale Isolation- quasi ein innerer „Lockdown“. Just im Beethovenjahr 2020 brach etwas über uns herein, das viele ebenso für eine gewisse Zeit in Vereinzelung zurückließ: die Covid 19-Pandemie.

Nicht nur die meisten (Beethoven-) Konzerte fielen ihr zum Opfer, sondern auch so manche wissenschaftliche Tagung wie das traditionsreiche „Philosophicum Lech“ am Arlberg musste pausieren. Es wird mit seinem geplanten Thema: „Als ob-Die Kraft der Fiktion" auf 2021 verschoben.

"Wir haben durch die Coronakrise wieder gelernt was Nachrichten tatsächlich sind."

Eine gute Gelegenheit, mit dem wissenschaftlichen Leiter, dem Philosophen Konrad Paul Liessmann, ausgiebig über die Folgen der Corona-Pandemie für das Leben, das Denken und das Verhalten der Menschen zu sprechen.

Zum Beispiel darüber, wie uns der Medienkonsum in dieser Zeit geprägt hat.

"Ich würde sagen, wir haben durch die Coronakrise wieder gelernt was Nachrichten tatsächlich sind. Wenn in den Nachrichten über Maßnahmen berichtet wird, dann kann ich mich zwar darüber mokieren, aber es betrifft mich. Ich muss mich dananch richten. Ich richte mich sogar danach, auch wenn ich beschließe mich nicht danach zu richten. Also auch die Entscheidung eine Maske zu tragen oder nicht zu tragen, ist ja eine Entscheidung, die ich sofort trefffen muss. Diese Nachricht trifft sofort mein Leben. Solche Nachrichten sind Nachrichten im tatsächlichen Wortsinn. Mann könnte auch sagen authentische Nachrichten sind Krisenerscheinungen."

Die Krise förderte gewisse Mentalitäten von Mitmenschen zutage, die man so vielleicht nicht vermutet hätte: Kontrollfreaks, die Freude daran haben, andere wegen falsch getragener Masken zu korrigieren oder – am anderen Ende des Spektrums- die „Corona-Rebellen“: "Ich glaube nicht, dass Eigenschaften, die ohnehin in einem Menschen schlummern in dieser Krise nur einfach deutlich werden. Ich könnte mir vorstellen, dass in einer anderen Krisensituation, diejenigen die jetzt als Rebellen auftreten, sich bereitwilligst Maßnahmen unterwerfen, weil sie zum Beispiel ihrem ideologischen Weltbild entstprechen oder weil sie plötzlich in einer Situation sind, in der sie subjektiv Angst haben", sagt Konrad Paul Liessmann.

"Nicht das Nachdenken über das Schöne vergessen"

Bei allen Zumutungen durch die Maßnahmen gegen die Pandemie fanden manche Mitmenschen gerade in dieser Zeit zu innerer Einkehr.

"Sogar die Natur hat angeblich darauf reagiert. In den Wochen des Lockdown sollen die Vögel anders gesungen haben, als in einer Welt in der ihr Gesang von Lärm überdeckt wird. Diese aufgezwungene Erfahrung von Stille und Bewegungsarmut wirft Menschen in einer Art und Weise auf sich selbst zurück, die eine neue Formen der Wahrnehmung ermöglichen", meint Liessmann

Kann es angesichts unserer Reise in einen Corona-unsicheren Winter die Philosophie Trost spenden?

Der Philosoph meint dazu: "In Zeiten der Pandemie besteht der Trost der Philosophie genau darin, es nicht zu zulassen, von diesem Virus so beherrscht zu werden, dass man das Nachdenken über das Schöne vergisst."

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