
United States Information Service (USIS)/ÖNB, 1952
Literaturmuseum
Schlaraffenland und Kometen
Die Zukunft ist eine beliebte Spielwiese der Literatur, was positive Visionen, aber auch was Weltuntergangsszenarien betrifft. In seiner Schau "Utopien und Apokalypsen" zeigt das Literaturmuseum, welche ganz unterschiedlichen und ganz ungewöhnlichen Bilder, Schriftsteller von der Zukunft gezeichnet haben.
14. Jänner 2021, 09:32
Mittagsjournal | 07 10 2020
Wolfgang Popp
Kaum jemand kennt den Namen Christine de Pizan, dabei war die gebürtige Venezianerin eine Pionierin der feministischen und der Science-Fiction-Literatur.

Österreichische Nationalbibliothek
Christine de Pizan: "Le Trésor de la cité des dames", Paris: Antoine Vérard, 1497
Stadt der Frauen
Gewirkt hat de Pizan rund einhundert Jahre vor Thomas Morus, den sein Klassiker "Utopia" berühmt gemacht hat. Ihr Hauptwerk erschien nämlich bereits um das Jahr 1405. Kuratorin Kerstin Putz: "Christine de Pizan war eine der ersten Frauen, die vom Schreiben leben konnten. Und ihr wichtigstes Werk ist 'Das Buch von der Stadt der Frauen', in dem sie sich gegen die Frauenfeindlichkeit ihrer Zeit wandte."
Die Geografie der Fantasie
Zu sehen in der Ausstellung ist auch eine akribisch genaue Landkarte aus dem Jahr 1740. Die zeigt aber keine damals neu entdeckten Länder, sondern das Land, in dem Milch und Honig fließt. Kuratorin Katharina Manojlovic: "Wir wollten diese Karte des Schlaraffenlands präsentieren, weil es sich da um wahrscheinlich einen der bekanntesten utopischen Orte handelt, und die Darstellung vielleicht auch zeigt, wie man ins Schlaraffenland gelangen kann."
So steht der Betrachter vor der Wahl, die Schalckwelt des Schlaraffenlandes über das Faulpelzland, das Narrenland, die Insel Tobaco oder über das Land des großen Magens zu betreten.
Die Leute glauben nicht an die Kometen, na die werden Augen machen!
Wenn es um Weltuntergansszenarien in der Literatur geht, spielen häufig auf die Erde zurasende Himmelskörper eine zentrale Rolle. Geschürt wurden sie von tatsächlichen Sichtungen, wie etwa des Halley‘schen Kometen. Die fanden dann, wie ein Exponat in der Schau zeigt, ihren grellbunten Niederschlag auf den Covern von Zeitschriften und sorgten für regen Diskussionsstoff.
Katharina Manojlovic: "Im Jahr 1910 wurde der Vorbeiflug des Halley‘schen Kometen genau vorhergesagt und die Wissenschaft wusste auch, dass für die Erde keine Gefahr bestand. Das änderte aber nichts daran, dass das Erscheinen bei vielen große Ängste auslöste."

Österreichische Nationalbibliothek
Von Iffland bis Nestroy
Das ironische Spiel mit der Kometenangst der Menschen ging aber noch ein gutes Stück weiter zurück. Katharina Manojlovic: "Schon Wilhelm August Iffland hat 1799 eine Posse über einen Kometen geschrieben, der laut einer Prophezeiung die Welt auslöschen wird. Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Johann Nestroy, dessen Kometenlied ja berühmt ist, diese Iffland-Posse gekannt hat."

Österreichische Nationalbibliothek
Ernst Jandl: "Apocalypse Soon", 29 8.1991
1936 und damit schon angesichts der Machtübernahme der Nazis in Deutschland hat Jura Soyfer das Kometenmotiv in seinem Bühnenstück "Der Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang" aufgegriffen. "Wobei Soyfer zeigt", so Katharina Manojlovic, "dass sich die Menschheit den Untergang schon selbst besorgt, und es gar keinen Kometen mehr dafür braucht."
Jandls Apokalypse
Eine frühe Ausgabe von Jonathan Swifts "Gullivers Reisen", oder das handgeschriebene Gedicht "Apocalypse soon" von Ernst Jandl. Die neue Ausstellung "Utopien und Apokalypsen" im Literaturmuseum zeigt, dass die Literatur Zukünfte für jeden Geschmack in petto hat.
Service
ÖNB-Literaturmuseum - Utopien und Apokalypsen. Die Erfindung der Zukunft in der Literatur, 8. Oktober bis zum 25. April 2021
Gestaltung
- Wolfgang Popp