Der Maschinenmensch Sabor des Schweizer Ingenieurs Peter Steurer bei einer Vorführung in Linz, 1952

United States Information Service (USIS)/ÖNB, 1952

Literaturmuseum

Schlaraffenland und Kometen

Die Zukunft ist eine beliebte Spielwiese der Literatur, was positive Visionen, aber auch was Weltuntergangsszenarien betrifft. In seiner Schau "Utopien und Apokalypsen" zeigt das Literaturmuseum, welche ganz unterschiedlichen und ganz ungewöhnlichen Bilder, Schriftsteller von der Zukunft gezeichnet haben.

Mittagsjournal | 07 10 2020

Wolfgang Popp

Kaum jemand kennt den Namen Christine de Pizan, dabei war die gebürtige Venezianerin eine Pionierin der feministischen und der Science-Fiction-Literatur.

Buchillustration: Frauen 1497

Österreichische Nationalbibliothek

Christine de Pizan: "Le Trésor de la cité des dames", Paris: Antoine Vérard, 1497

Stadt der Frauen

Gewirkt hat de Pizan rund einhundert Jahre vor Thomas Morus, den sein Klassiker "Utopia" berühmt gemacht hat. Ihr Hauptwerk erschien nämlich bereits um das Jahr 1405. Kuratorin Kerstin Putz: "Christine de Pizan war eine der ersten Frauen, die vom Schreiben leben konnten. Und ihr wichtigstes Werk ist 'Das Buch von der Stadt der Frauen', in dem sie sich gegen die Frauenfeindlichkeit ihrer Zeit wandte."

Die Geografie der Fantasie

Zu sehen in der Ausstellung ist auch eine akribisch genaue Landkarte aus dem Jahr 1740. Die zeigt aber keine damals neu entdeckten Länder, sondern das Land, in dem Milch und Honig fließt. Kuratorin Katharina Manojlovic: "Wir wollten diese Karte des Schlaraffenlands präsentieren, weil es sich da um wahrscheinlich einen der bekanntesten utopischen Orte handelt, und die Darstellung vielleicht auch zeigt, wie man ins Schlaraffenland gelangen kann."

So steht der Betrachter vor der Wahl, die Schalckwelt des Schlaraffenlandes über das Faulpelzland, das Narrenland, die Insel Tobaco oder über das Land des großen Magens zu betreten.

Die Leute glauben nicht an die Kometen, na die werden Augen machen!

Wenn es um Weltuntergansszenarien in der Literatur geht, spielen häufig auf die Erde zurasende Himmelskörper eine zentrale Rolle. Geschürt wurden sie von tatsächlichen Sichtungen, wie etwa des Halley‘schen Kometen. Die fanden dann, wie ein Exponat in der Schau zeigt, ihren grellbunten Niederschlag auf den Covern von Zeitschriften und sorgten für regen Diskussionsstoff.

Katharina Manojlovic: "Im Jahr 1910 wurde der Vorbeiflug des Halley‘schen Kometen genau vorhergesagt und die Wissenschaft wusste auch, dass für die Erde keine Gefahr bestand. Das änderte aber nichts daran, dass das Erscheinen bei vielen große Ängste auslöste."

Ausstellungsansicht

Österreichische Nationalbibliothek

Von Iffland bis Nestroy

Das ironische Spiel mit der Kometenangst der Menschen ging aber noch ein gutes Stück weiter zurück. Katharina Manojlovic: "Schon Wilhelm August Iffland hat 1799 eine Posse über einen Kometen geschrieben, der laut einer Prophezeiung die Welt auslöschen wird. Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Johann Nestroy, dessen Kometenlied ja berühmt ist, diese Iffland-Posse gekannt hat."

Ernst Jandl: "Apocalypse Soon"

Österreichische Nationalbibliothek

Ernst Jandl: "Apocalypse Soon", 29 8.1991

1936 und damit schon angesichts der Machtübernahme der Nazis in Deutschland hat Jura Soyfer das Kometenmotiv in seinem Bühnenstück "Der Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang" aufgegriffen. "Wobei Soyfer zeigt", so Katharina Manojlovic, "dass sich die Menschheit den Untergang schon selbst besorgt, und es gar keinen Kometen mehr dafür braucht."

Jandls Apokalypse

Eine frühe Ausgabe von Jonathan Swifts "Gullivers Reisen", oder das handgeschriebene Gedicht "Apocalypse soon" von Ernst Jandl. Die neue Ausstellung "Utopien und Apokalypsen" im Literaturmuseum zeigt, dass die Literatur Zukünfte für jeden Geschmack in petto hat.

Service

ÖNB-Literaturmuseum - Utopien und Apokalypsen. Die Erfindung der Zukunft in der Literatur, 8. Oktober bis zum 25. April 2021

Gestaltung

  • Wolfgang Popp