Julia Lacherstorfer

JULIA GEITER

Album

"Spinnerin" von Julia Lacherstorfer

Julia Lacherstorfer gehört zu den Energiebündeln einer Generation Volksmusiker, die Hubert von Goiserns kitschfreien Zugang inhaliert haben und nun entweder selbst neue Volksmusik erschaffen oder sich mit vollem Einsatz der Entstaubung von traditionellem Liedgut widmen. Auf ihrem neuen Album "Spinnerin (a female narrative)" tut sie beides.

Kulturjournal | 13 10 2020

Der österreichischen Musikerin, die auch mit der Gruppe Alma unterwegs ist und das wellenklaenge-Festival in Lunz am See als Intendantin leitet, ging es dabei um das Aufstöbern, Komponieren und Darbieten von Volksliedern aus weiblicher Perspektive - entstanden ist so eine Geschichtensammlung aus 15 Liedern mit Frauen als Subjekt und nicht als Objekt.

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Volkslieder aus weiblicher Perspektive

Irgendwann konnte sie nicht mehr. Irgendwann waren die überlieferten Lieder einfach nicht mehr stimmig, wurden liebgewonnene Harmonien zu störenden Kakophonien. Julia Lacherstorfer musste etwas tun. "Mir ist in den letzten Jahren immer mehr bewusst geworden, dass die Lieder, die ich als Kind von meinem Großvater gelernt bekommen habe, weitgehend eine männliche Geschichte erzählen."

Für die Musikerin war klar, dass sie sich auf die Suche nach diesen weiblichen Geschichten begeben wird. Sie durchkämmte Archive und traf dort meist auf zumindest anfängliches Unverständnis. "Es hat mich verwundert, dass ich das Gefühl hatte, mit meinem Anliegen gar nicht auf Anhieb verstanden zu werden."

"Spinnerin" ist ein Statement

Es dauert, doch Julia Lacherstorfer wird fündig. Etwa Im Lied "Salige" bei den Saligen, die auch Salkweiber genannt wurden: Frauenfiguren aus der Sagenwelt der Alpen, die junge Burschen so lange herzen und küssen bis sie zu Boden sinken.

"Spinnerin" ist für seine Autorin sowohl Konzeptalbum wie auch gesellschaftspolitisches Statement, das die Gleichwertigkeit unterschiedlicher Geschlechter und ihrer Geschichten besingt. Es gibt auch Lieder, die sich Lacherstorfer aneignete, die sie volksmusikalisch remixte.

Die Willenskraft der Bäuerinnen

Etwa das Stück "I Bitt Herr Hauptmann", dessen Melodie Lacherstorfer zu banal war. Sie mischte also kurzerhand eine alte Polonaise aus dem 17. Jahrhundert unter den Text und machte aus "I Bitt Herr Hauptmann" eine Ballade der Leidenschaft.

In der ersten Single des Albums "Irgendwann" verarbeitet Lacherstorfer die Lebenserinnerungen von zwölf Bäuerinnen, alle zwischen 1907 und 1932 geboren. Die Musikerin ist beeindruckt vom Wesen und der Willenskraft dieser Frauen. Diese konnten "das Leben mitsamt seinen Schicksalsschlägen so annehmen wie es ist", sagt sie. "Trotzdem konnten sie mit einer totalen inneren Stärke und Größe da rausgehen."

Ein schönes Stück Pionierarbeit

Auch die eigene Familiengeschichte wird hier vertont. Oma "Frieda" ist ebenso ein Lied gewidmet wie Mutter Elfriede, die im titelgebenden "Spinnerin" im Original-Ton zu hören ist. Besonders berührend ist das Lied "Und der See Schweigt", das den tragischen Tod fast einer ganzen Familie im Jahr 1917 behandelt. "Sie wollten zu Lichtmesse mit einem Floß über den Zeller See zur Kirche fahren, sind dort auf eine Eisscholle aufgelaufen und alle ertrunken." Musikalisch fusioniert Lacherstorfer hier erneut. "Ich habe den Refrain des Volksliedes ‚Is schon still uman See‘ so umgebaut, dass er für mich eine ganz andere Bedeutung erhielt, nämlich in dem Sinne, dass der See still ist, weil er Leben verschluckt hat."

Zeit wird’s, dass neben dem "Großvater" von STS endlich auch eine Großmutter ins kollektive Song-Gedächtnis aufgenommen wird. "Spinnerin" ist Pionierarbeit, musikalische Aufklärung ohne Zeigefinger und ein Album, das man am Stück oder Lied für Lied hören kann.

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