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Radiokolleg
Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Gibt es ein Leben - oder mehrere Leben - nach dem Tod? Das ist eine Frage, die die Menschheit seit zehntausenden von Jahren umtreibt. Die Antworten darauf sind denkbar unterschiedlich ausgefallen.
3. Dezember 2020, 02:00
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Radiokolleg | 2 11 2020
Von den Ahnenkulten der jungsteinzeitlichen Ackerbaugesellschaften über die Totenkulte der alten Ägypter bis hin zum Auferstehungsglauben des Christentums und agnostischen und atheistischen Vorstellungen – sie alle versuchen die Frage : Was kommt nach dem Tod? zu beantworten.
APA/LPD/FRANZ NEUMAYR
"An ein Weiterleben im Jenseits zu glauben, erschiene mir anmaßend.“
Es werden weniger und weniger. Nur noch vierzig Prozent der Deutschen glauben einer "Spiegel"-Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge an ein Weiterleben nach dem Tod. Tendenz: sinkend. Dass mit dem Tod "alles zu Ende" sei, davon geht dagegen eine profunde Mehrheit der Deutschen aus.
Zu ihnen gehört auch der Philosoph Franz Josef Wetz. "An ein Weiterleben im Jenseits zu glauben, erschiene mir anmaßend", bekennt er: "Der Kosmos mit seinen zwei Billionen Galaxien steht unter dem Gesetz des Werdens und Vergehens. Warum sollten die Naturgesetze ausgerechnet für den Menschen nicht gelten. Daran zu glauben, käme mir schamlos vor."
In seinem Buch "Tot ohne Gott" setzt sich Franz Josef Wetz mit den Jenseitsvorstellungen der verschiedenen Religionen auseinander - und verwirft sie allesamt.
AP/WEI YAO
"Nach dem Sterben ist es fad, kurz vorher ist es spannend."
Der Wiener Physiker Werner Gruber kommt, wenn es um die "letzten Fragen" geht, zu denselben Schlüssen: "Die Naturwissenschaft hat einen klaren Befund erbracht: So etwas wie ein Leben nach dem Tod gibt es nicht." Gruber hat auch höchstpersönlich Gelegenheit gehabt, sich von der Stichhaltigkeit dieser These zu überzeugen: Zweimal war der 50-jährige bereits klinisch tot - einmal für fünf und einmal für zwanzig Minuten. Grubers Resümee: "Nach dem Sterben ist es fad, kurz vorher ist es spannend."
Seine Sterbeerfahrungen haben dem Experimentalphysiker die Angst vor dem Tod weitgehend genommen: "Das unmittelbare Sterben war eine schöne Erfahrung", erinnert sich Gruber. "Das hängt mit den körpereigenen Drogen zusammen, die im Prozess des Sterbens ausgeschüttet werden - Enzyme und Hormone, die schmerzstillend wirken. Ausgesprochen wohltuend. So etwas hat man sich früher nicht einmal auf dem Karlsplatz kaufen können."
„Ja, ich glaube an ein Leben nach dem Tod.“
Der Regensburger Theologe Rupert Scheule sieht das deutlich anders: „Ja, ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Und zwar, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass wir Menschen hienieden nicht ganz aufgehen. Etwas läuft hier nicht rund. Wir, auch die langweiligsten von uns, führen doch ein zu großes, aufregendes, vielschichtiges Leben, als dass das einfach so sinnvollerweise in einem Sarg oder einer Urne enden könnte.“
Gisbert Greshake, Nestor der katholischen Theologie im deutschen Sprachraum, zitiert den französischen Existenzphilosophen Gabriel Marcel, um seinen Auferstehungsglauben zu begründen: „Jemand lieben, heißt ihm sagen: Du wirst nicht sterben! Liebe, wenn sie wirklich radikale Liebe ist, sagt nicht: Na ja, in ein paar Jahren bist du dann weg - WEG. Das hält Liebe nicht aus. Wahre Liebe sagt: Du wirst nicht sterben.“
Du wirst nicht sterben: ein Versprechen, das für atheistisch gesinnte Menschen nichts als eine fromme Illusion ist. Nach dem Tod wird der Verstorbene da sein, wo er sieben Tage vor seiner Zeugung war - im Nichts: So könnte man es auch sehen.
„Natürlich macht sich jeder Mensch Fantasien über den Tod, das ist schon klar.“
Die Religionswissenschaftlerin Ursula Baatz - praktizierende Zen-Buddhistin mit christlichem Hintergrund - versucht, sich eigener Phantasien zu enthalten: „Aber ich halt es da eigentlich mit einem japanischen Zen-Gelehrten, dem Shizuteru Ueda, der hat gesagt: Wir wissen nichts über den Tod, das ist ein großes Geheimnis. Wir können eigentlich nur ehrfurchtsvolles Schweigen bewahren.“
Was passiert eigentlich, wenn wir sterben? Darauf gibt es - verständlicherweise - keine allgemein gültige Antwort, betont der Regensburger Theologe Rupert Scheule. „Würde man ein Handbuch der Palliativmedizin aufschlagen würde man folgendes lesen: Es tritt ein Herzstillstand ein, drei bis zwölf Sekunden später erlöschen dann so langsam die Hirnstammreflexe und die Atmung. Es tritt eine Bewusstlosigkeit ein. Aber erst dreißig bis vierzig Sekunden später erlischt das EEG, also das Hirnstrombild.“
„Die Furcht vor dem Tod ist der Preis, den wir für die Bewusstheit unserer selbst zahlen.“
Zu allen Zeiten und an allen Orten haben sich die Menschen vor dem Tod gefürchtet. Dass das Leben des Menschen endlich ist, dass er nach seinem irdischen Gastspiel, wie’s aussieht, in jenes Nichts zurückkehren wird, aus dem er gekommen ist, erfüllt den Menschen in der Regel mit Grauen. Das kann gar nicht anders sein, befindet der Philosoph Franz Josef Wetz:
„Das hat sicherlich in letzter Beziehung biologische Gründe. Zunächst ist ja die Todesangst überaus sinnvoll, biologisch betrachtet, denn sie erhält uns am Leben, weil sie die Vorsicht vor das Wagnis stellt. Ohne Todesangst hätten wir schon längst unser Leben gefährdet und verloren. Sie dient gewissermaßen der Abwehr von Gefahren, und daran wird praktisch schon die Kehrseite der Todesangst im Schattenriss sichtbar, auf der sie gründet und ein biologisches Phänomen darstellt, nämlich das menschliche Selbsterhaltungsstreben. Menschliches Leben, ein vitales Selbst, findet sich eben nicht mit dem eigenen Tod ohne Weiteres ab, von Natur aus, weil wir auf Selbsterhaltung programmiert sind.“
„Unsere Konfrontation mit dem Tod wird stets von Furcht begleitet sein“, schreibt der US-amerikanische Pschoanalytiker und Psychiater Irvin D. Yalom - in der Übersetzung von Barbara Linner - in seinem Buch „In die Sonne schauen - Wie man die Angst vor dem Tod überwindet“.
Ganz wird der Mensch die Furcht vor dem Nichtsein also nicht los werden können, wohl auch der nicht, der sich ein Leben lag intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Der französische Philosoph Michel de Montaigne weiß, was in dieser Situation zu tun ist. „Man muss ertragen lernen“, schreibt Montaigne, „was man nicht vermeiden kann.“
Gestaltung: Günter Kaindlstorfer