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Radiokolleg - Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Wie Jenseitsvorstellungen unser Leben im Diesseits beeinflussen (1). Gestaltung: Günter Kaindlstorfer
2. November 2020, 09:05
Nur noch vierzig Prozent der Deutschen glauben einer "Spiegel"-Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge an ein Weiterleben nach dem Tod. Tendenz: sinkend. Dass mit dem Tod "alles zu Ende" sei, davon geht dagegen eine profunde Mehrheit der Deutschen aus. Zu ihnen gehört auch der Philosoph Franz Josef Wetz. "An ein Weiterleben im Jenseits zu glauben, erschiene mir anmaßend", bekennt er: "Der Kosmos mit seinen zwei Billionen Galaxien steht unter dem Gesetz des Werdens und Vergehens. Warum sollten die Naturgesetze ausgerechnet für den Menschen nicht gelten. Daran zu glauben, käme mir schamlos vor."
In seinem Buch "Tot ohne Gott" setzt sich Franz Josef Wetz mit den Jenseitsvorstellungen der verschiedenen Religionen auseinander - und verwirft sie allesamt. Der Wiener Physiker Werner Gruber kommt, wenn es um die "letzten Fragen" geht, zu denselben Schlüssen: "Die Naturwissenschaft hat einen klaren Befund erbracht: So etwas wie ein Leben nach dem Tod gibt es nicht." Gruber hat auch höchstpersönlich Gelegenheit gehabt, sich von der Stichhaltigkeit dieser These zu überzeugen: Zweimal war der 50-jährige bereits klinisch tot - einmal für fünf und einmal für zwanzig Minuten. Grubers Resümee: "Nach dem Sterben ist es fad, kurz vorher ist es spannend."
Seine Sterbeerfahrungen haben dem Experimentalphysiker die Angst vor dem Tod weitgehend genommen: "Das unmittelbare Sterben war eine schöne Erfahrung", erinnert sich Gruber. "Das hängt mit den körpereigenen Drogen zusammen, die im Prozess des Sterbens ausgeschüttet werden - Enzyme und Hormone, die schmerzstillend wirken. Ausgesprochen wohltuend. So etwas hat man sich früher nicht einmal auf dem Karlsplatz kaufen können."
Für den Zen-Buddhismus gibt es keinen Unterschied zwischen Leben und Tod. "Leben und Tod sind eins", erklärt der Wiener Zen-Mönch Thomas Palfinger: "Im Zen-Buddhismus geht es um vollkommenes Loslassen. In der Praxis des Zen geben wir uns ins Leben auf. Wir sterben ins Leben hinein."
Der französische Philosoph Michel de Montaigne hat sich im Hinblick auf die Unausweichlichkeit des Todes etwas prosaischer ausgedrückt: "Man muss ertragen lernen, was man nicht vermeiden kann."
Service
Literatur:
Franz Josef Wetz: "Tot ohne Gott - Eine neue Kultur des Abschieds", Alibri-Verlag, 310 Seiten, ISBN: 9783865692498
Irvin D. Yalom, "In die Sonne schauen - Wie man die Angst vor dem Tod überwindet", aus dem Englischen von Barbara Linner, btb-Verlag, 272 Seiten, ISBN: 9783442738380
Ursula Baatz: "Spiritualität, Religion, Weltanschauung - Landkarten für systemisches Arbeiten", Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, 220 Seiten, ISBN: 9783525402726
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