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Diagonal
Transatlantische Musikreisen - eine Hitliste
Was ist Ihre liebste, transatlantisch gereiste Musik? Antonín Dvořák oder Jimi Hendrix? Claude Debussy oder Miles Davis? Wir hatten Sie eingeladen, eine Hitliste der transatlantischen Musikverwandlungen zu erstellen. Im Anschluss finden Sie das Ergebnis Ihrer Abstimmung.
12. Dezember 2020, 02:00
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Diagonal zum Thema Transatlantik
SA | 14 11 2020 | 17:05 Uhr
Hier lassen wir Sie dann wissen, wen Sie in die transatlantische Hitliste katapultiert haben!
Musik reist gerne transatlantisch. Schon seit langer Zeit. Und jedes Mal, wenn die Musik auf transatlantische Reise geht, kommt sie verändert am anderen Kontinent an. Und dabei verwandelt sie sich. Oft sogar gravierend und das ist das Faszinierende daran. Unsere Diagonal-Hitliste der Musik auf transatlantischer Reise lenkt den Blick auf genau diese magischen Verwandlungen.
Als die Pariser Modernisten Anfang des 20. Jahrhunderts den Jazz entdecken und kompositorisch rezipieren, entsteht dabei extrem erfrischende Musik, aber Jazz war sie definitiv nicht, von Satie über Debussy zu Strawinsky. Man könnte auch hinterfragen, ob Bands wie die Stones in ihrer britischen Blues-Verliebtheit jemals wirklich amerikanischen Blues gespielt haben. Und als George Gershwin und Paul Whiteman mit der "Rhapsody in Blue" sich aus amerikanischer Sicht den europäischen Vorbildern nähern, kommt 1924 ebenfalls ein faszinierendes Hybrid aus Amerika und Europa heraus.
Wir haben eine Liste musikalischer, transatlantischer Reiseverwandlungen zusammengestellt. Von The Beatles zu Miles Davis, von Joe Zawinul zu Jimi Hendrix, und den GI Bill Ramsey sowie Peter Kraus, die Ender 50er Jahre den deutschen Nachkriegsschlager aufmischten, lassen wir auch nicht aus. Und auch nicht den Ahnvater all dieser transatlantischen Bewegungen: Antonín Dvořák unterrichtet in den 1890er Jahren begeistert in New York, studiert afroamerikanische und indianische Musik, und schreibt die "Symphonie aus der Neuen Welt". Die aber blieb dann doch eher europäisch.
Antonín Dvořák, 9. Symphonie “Aus der neuen Welt“
Die Tschechische Philharmonie mit Dirigent Vaclav Talich interpretiert 1950 in Prag diese Symphonie, die Dvořák 1893 in New York komponiert hatte, mit wahrlich transatlantischer Energie.
Erik Satie, Le Piccadilly, für Klavier, aus 1904
"Der Jazz erzählt uns seinen Schmerz - & man schert sich nicht drum … Aus diesem Grund ist er … schön …, wahr …" notiert Erik Satie in Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts und lässt die "syncopated rhythms" aus dem fernen Kontinent durch seine Musik rauschen.
Claude Debussy, Children’s Corner, Golliwogg's Cake Walk
Claude Debussy frönt dem die Stadt Paris überschwemmenden Interesse am Jazz. Aus der vermuteten Wildheit wird kontrollierte Neuerfindung. Claude Debussy selbst spielt 1913 sein Stück aus 1908 auf einem Reproduktionsklavier ein.
Igor Strawinsky, Ragtime für elf Instrumente
Igor Strawinsky nutzt die fremde Ragtime-Musik theatralisch in seiner "Geschichte vom Soldaten" gemeinsam mit Tango und Walzer. 1962 dirigiert Strawinsky das Columbia Chamber Ensemble bei der amerikanischen Platteneinspielung seiner Ragtime-Komposition aus 1918.
The Beatles, Things we said today
Am 30. August 1965 spielen die Beatles das legendäre Konzert in der Hollywood Bowl, das gänzlich im Gekreische unterging. Nicht einmal die Beatles selbst hören noch ihre Musik. Als die damaligen Pilzköpfe in Amerika ankommen, ist die eigene Begeisterung des Publikums definitiv intensiver, als die Lust nach Musikhören.
The Rolling Stones, You Gotta Move
Auf ihrem Album “Sticky Fingers“ aus 1971 nehmen die Stones ein Stück des Bluesmusiker Mississippi Fred McDowell ins Repertoire. Das Bekenntnis war eindeutig und fügte sich ins Gesamtbild der damaligen Stones.
Jimi Hendrix, Voodoo Child (slight return)
Als Jimi Hendrix Experience treten Jimi Hendrix, Noel Redding und Mitch Mitchell am 14. 2. 1969 in der Londoner Royal Albert Hall auf. Die Single "Voodoo Child" wurde die einzige "Nummer 1" des Amerikaners Jimi Hendrix in England.
George Gershwin, Rhapsody in Blue - für Klavier und Orchester
Komponist und Pianist George Gershwin sitzt selbst am Klavier, als das legendäre Gershwin-Stück von Orchesterleiter Paul Whiteman in New York uraufgeführt wird. Eine historische Aufnahme vom 10. Juni 1924. Gershwin und Whiteman versuchen erfolgreich, das jeweils Beste aus zwei Kontinenten zu vereinen.
Miles Davis, Chez le photographe du motel
In einem Studio in Paris spielt Miles Davis 1957 mit einem kleinen Ensemble aus französischen und amerikanischen Musikern die Filmmusik zu "Fahrstuhl zum Schaffott" ein. Transatlantische Coolness unter filmischer Hochspannung.
Peter Kraus, Sugar Baby
Der Song aus 1959 steht für die Verwandlung des R&B-beeinflussten US-Rock’n’Roll in deutsche Schlagermusik, zwei Jahre bevor die Beatles in Hamburg zeigten, wie das zukunftweisend geht.
Bill Ramsey, Souvenirs
Bill Ramsey, der GI, der in Deutschland heimisch wurde und mit amerikanischer Song-Professionalität die hiesige Szene aufmischte. Und mit witzigen Texten noch dazu, bezüglich erstrebter Souvenirs: "Von der Gitarre eine Saite, die Elvis schlug, und den Verschluss der Bluse, die die Lollo trug, von Sterling Moss den Führerschein …"
Joe Zawinul, Trav'lin' light
Ben Webster, Tenorsaxophon, Joe Zawinul, Piano, Richard Davis, Bass, Philly Joe Jones, Drums: 1963 in einem Studio spielt Joe Zawinul, der aus Österreich gekommen war, mit Ben Webster, der dann, wie viele US-Jazzer, Jahre in Europa leben wird. Viel schöner geht Jazz in kammermusikalischer Besetzung nicht. Hier hat sich weniger die Musik verwandelt, als der Österreicher sich kongenial anverwandelt.