ROBERT SCHABERL
13.-20.11. im digitalen Raum
Vienna Art Week mit "Living Rituals"
Was Rituale leisten können und was mit ihrem Verschwinden verloren geht, das sind die Fragen, mit denen sich heuer die Vienna Art Week beschäftigt. "Living Rituals" lautet dementsprechend das Motto, das in Ausstellungen, Künstleratelierbesuchen, Diskussionen und Vorträgen in den Fokus genommen wird. Coronabedingt allerdings fast ausschließlich im digitalen Raum.
14. Dezember 2020, 02:00
Die Ankündigung eines neuerlichen Lockdowns traf die Vienna Art Week kurzfristig und machte einen Kraftakt notwendig, so Robert Punkenhofer, künstlerischer Leiter der Vienna Art Week: "Wir hatten bereits ein fertiges analoges Programm und gedruckte Programmhefte und mussten jetzt innerhalb von zehn Tagen alles umplanen."
Ateliers öffnen ihre digitalen Türen
Die "Open Studio Days", in denen an die hundert Künstler unmittelbare Einblicke in ihre Ateliers geben, gelten als Herzstück des achttägigen Programms. Robert Punkenhofer: "Wir werden einen Zoom-Marathon durch die Ateliers veranstalten, werden Galerieausstellungen, die ja als einzige analog besucht werden können, dokumentieren, und am letzten Tag einen Vortrag des bekannten südkoreanischen Philosophen Han übertragen."
Verschwindende Rituale
Byung-Chul Hans letztes Jahr erschienener Essay "Vom Verschwinden der Rituale" war auch der Grundlagentext für die Vienna Art Week. Seine These lautet, dass durch den Bedeutungsverlust vieler Religionen, durch die Schnelllebigkeit unserer Gegenwart und ihrer Sucht nach Neuem Ritualen immer weniger Aufmerksamkeit und Achtung zu Teil wird. Dazu die kuratorische Beraterin der Vienna Art Week, Angela Stief: "Natürlich sind aktuell Rituale vom Verschwinden bedroht, weil Globalisierung und Digitalisierung dem Modus des Ritus sehr stark entgegengesetzt sind."
Haus der Rituale
Ein eigenes "House of Rituals" hat die Vienna Art Week in Simmering eingerichtet. Das Besondere: Es handelt sich dabei nicht um einen Ausstellungs- oder Galerieraum, sondern um ein leerstehendes Objekt, das dem Festival von einer Immobilienfirma zur Verfügung gestellt wurde. Robert Punkenhofer: "Dieses Haus passt wie die Faust aufs Auge zum Thema Rituale, ein Kleinfamilienhaus mit Plastikboden und Stofftapete, das wir jetzt mit zeitgenössischer Kunst bespielen können."
Bis unters Dach
Die Künstlerischen Positionen reichen von einer Marina-Abramovic-Performance, die im Keller über einen Bildschirm flimmert, bis zum "Heidi"-Video am Dachboden, in dem sich die US-amerikanischen Künstler Mike Kelley und Paul McCarthy mit Johanna Spyris berühmter Kinderbuchfigur auseinandersetzten.
Dazwischen, im Wohnzimmer im ersten Stock, hängen Arbeiten vom Orgien-Mysterien-Meister -Hermann Nitsch und eine Installation der Künstlerin und Philosophin Elisabeth von Samsonow. Robert Punkenhofer: "In der Vergangenheit wurden Rituale hauptsächlich von Männern dominiert und Elisabeth von Samsonow fragt sich, wie ein Ritual aussehen könnte, das von Frauen bestimmt ist."
Kunst in der Badewanne
Wenn es zu keiner weiteren Verschärfung der Corona-Maßnahmen kommt, sind Einzelführungen durchs "House of Rituals" geplant. Auf jeden Fall stattfinden werden Onlineführungen, im derzeit trüben November auch nicht das Schlechteste. Robert Punkenhofer: "Wenn die Besucher nicht zur Art Week kommen können, dann kommen wir zu ihnen, sprich, die Besucher können die Art Week damit auch auf dem Sofa, an ihrem Schreibtisch oder in der Badewanne genießen."
Service
Vienna Art Week - 13. bis 20. November 2020
Gestaltung
- Wolfgang Popp