Ilija Trojanow

THOMAS DORN

Festival online

30 Jahre Literatur im Herbst

Es ist ein Fixpunkt im literarischen Jahreskalender: Seit 30 Jahren gibt es die "Literatur im Herbst" und auch im Corona-Jahr wird die Tradition fortgesetzt. Nachdem sich das Wiener Festival zwei Jahre lang mit Utopien beschäftigt hat, setzt man heuer auf "Die Kraft der Literatur".

Kuratiert hat das Programm mit Vorträgen, Lesungen und Gesprächen Ilija Trojanow und statt wie geplant im Odeon kommt das Festival heuer per Live-Stream aus der Alten Schmiede.

Marlene Streeruwitz

MARINA NINIC

Die Kraft der Literatur

"Die Kraft der Literatur" beschwört die Literatur im Herbst, es sei schließlich auch hoch an der Zeit, ihre Bedeutung zu unterstreichen, meint der Kurator Ilija Trojanow, "in der Corona-Zeit haben wir gesehen, dass Regierungen Literatur und Kultur als Vergnügen, als Luxus dargestellt haben, da erscheint es uns umso wichtiger, darauf hinzuweisen, dass das so etwas wie eine geistige und emotionale Grundversorgung ist. Wir können und die Welt in ihrer Komplexität nicht anders erklären als durch Narrative, durch Geschichten."

Kein charmanter Zeitvertreib

"Literatur ist kein charmanter Zeitvertreib, sondern eine existenzielle Begleitung unseres Lebensweges", schreibt Ilija Trojanow zur Literatur im Herbst und dafür stehen auch die Namen im Programm: Autorinnen und Autoren aus Sarajewo und Nairobi, aus Bagdad, Madrid und Kalifornien. Die meisten können nun nicht anreisen, Ilija Trojanow wird sie im Livestream vorstellen. Was sie eint, sagt Ilija Trojanow, "es sind Erzählerinnen und Erzähler, die vor der Realität nicht flüchten".

So ist die Welt geworden

Die Kenianerin Yvonne Adhiambo Owuor wird Ilija Trojanow bei der Literatur im Herbst ebenso vorstellen wie den deutsch-irakischen Autor Abbas Khider. Marlene Streeruwitz wird über ihren Covid-19-Roman "So ist die Welt geworden" sprechen. Und heute, am ersten Abend wird nach einem Eröffnungsvortrag von Alois Hotschnig der große bosnische Schriftsteller Dzevad Karahasan aus seinem Roman "Ein Haus für die Müden" lesen.

Das Scheitern des Vielvölkerstaates Jugoslawien hat Dzevad Karahasan in Sarajewo hautnah miterlebt und in einer ganzen Reihe von Romanen und Essays hat er dem einst viel gerühmten "Jerusalem des Balkans" ein Denkmal gesetzt.

Festivalplakat

ALTE SCHMIEDE KUNSTVEREIN WIEN

Ein Spiel mit der Zeit

Wenn Dzevad Karahasan jetzt in seinem jüngsten Roman den Schicksalen und Beweggründen seiner Figuren nachspürt, durchmisst er ein ganzes Jahrhundert bosnischer Geschichte, kunstvoll verwoben mit philosophischen Einschüben, poetischen Betrachtungen und Reflexionen. "Ein Spiel mit der Zeit" nennt das Dzevad Karahasan. Aber auch wenn er von der Vergangenheit erzählt, zielt er ins Heute. "Das ganze Buch ist ein Versuch, Menschen als Wesen der Zeit zu verstehen", sagt Dzevad Karahasan.

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