Dave Brubeck

AFP/NICHOLAS KAMM

Dave Brubeck 100

Der publikumswirksame Experimentator

Zum 100. Geburtstag von Dave Brubeck.

Für gleich mehrere Generationen von Jazzfans fungierte seine Musik als Einstiegsdroge: "Take Five", der berühmte Hit im 5/4-Metrum von Altsaxofonist Paul Desmond, und "Blue Rondo à la Turk", das auf dem 9/8-Rhythmus eines türkischen Aksak basiert - Kompositionen wie diese erfüllen bis heute ihre Rolle als eingängige und doch raffiniert gebaute Türöffner für ein nicht Jazz-geeichtes Publikum.

Der Erfolg Dave Brubecks, des am 6. Dezember 1920 in Kalifornien geborenen Pianisten und Komponisten, kam eher unerwartet: Das 1959 entstandene Album "Time Out", das die genannten Stücke enthielt, brach in mehrfacher Hinsicht mit den Erwartungshaltungen. Columbia Records hätte lieber eine weitere Platte mit eingängigen Standards im harmlosen 4/4-Takt veröffentlicht, zu denen man damals sogar noch tanzen oder zumindest schunkeln konnte. Wären nicht Columbia-Präsident Goddard Lieberson, der als Einziger die Platte unterstützte, und zwei DJs in Cleveland und Chicago gewesen, die die Stücke unermüdlich auflegten - "Time Out" wäre nie erschienen, geschweige denn einer der ersten Millionen-Seller des Jazz geworden.

Dave Brubeck

Dave Brubeck, 2009

AFP/NICHOLAS KAMM

Der völkerverbindende Botschafter

Heute indessen wird Dave Brubeck zu Unrecht oft auf seine Hits reduziert, die er bis zum Ende seiner langen Karriere kurz vor seinem Tod 2012 immer wieder und wieder spielte. Brubeck, das war auch der wohl erste Jazzmusiker, der - unter dem Einfluss seines Lehrers Darius Milhaud am Mills College in Oakland - mit Polytonalität experimentierte. Und das war ein Mann, der im Laufe der Jahre seine Rolle immer mehr im Sinne eines völkerverbindenden Botschafters begriff. "In Polen lernten wir während der Tournee 1958 viele Musiker kennen, geheim, in Kellern. Den US-Sender Voice of America zu hören war verboten - aber jeder tat es, sogar die Polizei. Jazz ist die Stimme der Freiheit, mehr als alles andere", so erzählte Dave Brubeck dem Autor dieser Zeilen einst im Interview.

Brubeck bewies auch in seiner Heimat politisches Rückgrat: Als ihm nach der Rückkehr von der US-State-Department-Tour - die ihn als Botschafter eines freien, demokratischen Amerikas nach Osteuropa und Nahost geführt hatte - bedeutet wurde, er möge für seine Konzertreise durch die US-Südstaaten seinen afroamerikanischen Bassisten Eugene Wright austauschen, lehnte er ab - und nahm dafür in Kauf, dass 23 von 25 geplanten Terminen abgesagt wurden. Ein halbes Jahrhundert später schrieb Dave Brubeck, er habe mit Tränen in den Augen die Amtseinführung Barack Obamas im Fernsehen mitverfolgt und sei unendlich dankbar, diese erlebt haben zu dürfen.

Swantje Lampert und Barbara Rektenwald, die auf eine langjährige Zusammenarbeit verweisen können, musizieren zu Ehren von Dave Brubecks 100. Geburtstag im Rahmen der Ö1 Radiosession. Für den Aufnahmetermin im Wiener Funkhaus wird das Duo um den Bassisten Peter Strutzenberger und den Schlagzeuger Gerfried Krainer erweitert.

"Ö1 Jazz Treasures" und Sendungen

Ö1 würdigt Brubecks 100. Geburtstag am 6. Dezember nicht nur mit einer Reihe von Sendungen. Zum Zentenarium erscheint zudem das Opus 1 der Vinylreihe "Ö1 Jazz Treasures" mit der bis dato unveröffentlichten Aufnahme des Dave Brubeck Trios (mit Bassist Eugene Wright und Schlagzeuger Joe Morello) vom 12. November 1967 im Wiener Konzerthaus. Auch hier ist ein anderer Brubeck als der sattsam bekannte zu hören: Im Trio, ohne den in Hamburg hängen gebliebenen Paul Desmond, spielte der Pianist ob seines unzuverlässigen Altsaxofonisten mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch, wie sein Sohn Darius Brubeck in den Liner Notes schreibt. "Take Five" und die anderen Hits hatten an diesem Abend Pause.

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