Szenenbild: Junge im Pyjama sitzt im Bett

WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN

Wiener Staatsoper

Hans Werner Henzes Oper "Das verratene Meer"

Als erste wirkliche Neu- und Eigenproduktion der Saison ging Hans Werner Henzes "Das verratene Meer" am 14. Dezember über die Bühne der Wiener Staatsoper. Ö1 sendet die Aufzeichnung am 15. Dezember 2020.

"Genie der Wandlungsfähigkeit" und "Talentreichster seiner Generation" - so wurde der Komponist Hans Werner Henze (1926 - 2012) von manch Kritiker apostrophiert, von anderen wurde er wiederum als "Postmoderner", als "Alt-Neutöner" eingestuft. Seinen eigenen Standpunkt in Bezug auf das Theater hat er einmal so formuliert:

Theater, genau wie Musik, muss immer wieder neu erfunden werden und lebt doch von Jahrhunderten der Erfahrungen, die uns befeuern, herausfordern, um sich zerstören zu lassen, um uns zu steigern, anzutreiben. Nichts wird ausgerichtet mit der gekonnten Form, der gelungenen Formulierung, aber auch nichts mit Verneinung, Entsagung, Enthaltung.

Man kann dies auch einfacher formulieren: Henze hielt wenig von strikten seriellen Konzepten und elektronischen Experimenten, die nur mehr Fachleute verstehen konnten. Er war ein Pragmatiker und traditionsgeschulter Ausdrucksmusiker, der in nahezu allen Genres ein äußerst umfangreiches Schaffen hinterlassen hat, von der klein besetzten Kammermusik über Symphonisches bis zur großen Oper, spezielle Rundfunk- und Fernsehopern inklusive. Und viele seiner Bühnenwerke, die er zwischen 1948 und 2010 komponiert hat, sind genau aus diesem Grund auch nicht auf viel beachtete Uraufführungen ohne Folgeproduktionen beschränkt geblieben, sondern sind immer wieder an zahlreichen Bühnen neu herausgebracht worden.

Hans Werner Henze

Hans Werner Henze knapp ein Monat vor seinem Tod, aufgenommen am 13. September 2012 bei der Premiere der Oper "Wir erreichen den Fluss - We come to the river" in der Dresdner Semperoper.

APA/DPA/MARTIN MORGENSTERN

Mehrfach überarbeitetes Werk

Henzes Oper "Das verratene Meer", die jetzt in der Wiener Staatsoper - als erste wirkliche Neu- und Eigenproduktion der Saison - zur dortigen Erstaufführung in deutscher Sprache kommt, hatte 1990 in der Deutschen Oper Berlin ihre nicht sonderlich erfolgreiche Uraufführung erlebt; der Komponist entschied sich deshalb zu einer Überarbeitung (Erstaufführung 2003 in Tokio), die er dann nochmals für eine gefeierte Produktion 2006 bei den Salzburger Festspielen revidierte.

Brutales Szenarium der Ausweglosigkeit

Das Werk basiert auf einem Roman von Yukio Mishima, der oft als das enfant terrible der japanischen Nachkriegsliteratur bezeichnet wird. Es entwirft ein brutales Szenarium der Ausweglosigkeit, in dem das Ringen um Normalität zum Scheitern verurteilt ist.

Ein japanischer Schiffsoffizier hat sich in eine reiche Witwe verliebt, will sie heiraten und deshalb auch seinen Beruf als Seemann aufgeben. Für den Sohn der Geschäftsfrau und seine Freunde in einer Gang jugendlicher Gewalttäter bedeutet dies Verrat am Meer - Sinnbild von Weite und Freiheit. Der Seemann, der in den Augen der Bande seine "Heldenhaftigkeit" aufgibt, wird von den Jugendlichen kaltblütig ermordet. Als "fernöstlicher Opern-Thriller" wurde das Werk nach der Salzburger Festspiel-Aufführung bezeichnet, aber auch als vokale Virtuosität einforderndes Musikdrama von extremer gesellschaftlicher Brisanz.

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