Kurt Girk

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Menschenbilder

Wienerlied-Legende Kurt Girk

Die einen nannten ihn den "Frank Sinatra von Ottakring", für die anderen war er schlicht und einfach der "Sir". Der 1932 in Wien-Ottakring geborene Kurt Girk galt als der letzte große Natursänger des Wienerlieds.

Im aktuellen, preisgekrönten Film "Aufzeichnungen aus der Unterwelt" von Tizza Covi und Rainer Frimmel steht er im Mittelpunkt einer abenteuerlichen, wahren Geschichte - gemeinsam mit seinem alten "Haberer" Alois Schmutzer aus der Wiener Unterwelt.

Den 2019 verstorbenen "Kurtl", wie Freund/innen ihn nannten, gab es - auch beim Heurigen - nur im Anzug. Sakko, Stecktuch, Krawatte, Frisur - alles saß perfekt. Auch zum Gespräch für die "Menschenbilder" kam der "Kurtl" im gepflegten Anzug, die Manschetten glänzten. Kurt Girk war mit allen Menschen per Du - mit der Serviererin beim Heurigen genauso wie mit dem Wiener Bürgermeister. Ein "Sie" ließ er nicht gelten, auch nicht beim Interview. "Wir san alle Menschen. Hierarchie gibt’s kane", sagte er und ließ sich die Erdbeerbowle schmecken.

"Der Kurtl liebte den Nahkampf, das Singen bei den Tischen" Roland Neuwirth

Der "Kurtl" liebte es, beim Heurigen vor seinem Publikum zu stehen. Musikerkollege Roland Neuwirth bewunderte ihn dafür: "Der Kurtl liebte den Nahkampf, das Singen bei den Tischen. Wir anderen sind feig. Wir stehen auf der Bühne." Bei den Aufnahmen für die CD "Küssen! Singen! Trinken!", die Hans Peter Falkner vom Musikduo Attwenger produzierte, wurde das Studio kurzerhand in einen "Privatheurigen" umfunktioniert. Der "Kurtl" brauchte sein Publikum.

Kurt Girk lebte bis zu seinem Tod in seinem Heimatbezirk. Als Kind war er noch barfuß durch Ottakring gelaufen, vom "Zauber der Vorstadt" sang er bis zum Schluss. Als der kleine Kurt sieben Jahre alt war, begann der Zweite Weltkrieg. "Alle Männer waren plötzlich Soldaten und mussten einrücken. Und irgendwann sind die Bomben gefallen. Damals habe ich zum ersten Mal Tote gesehen. Den Krieg braucht mir keiner schönreden."

Lehrling im Schneidersalon

Nach dem Krieg bekam Kurt Girk eine Lehrstelle in einem Schneidersalon am Gürtel. Er lernte bei Ernst Steinecker, der 30 Jahre lang Kammerdiener beim berühmten Tenor Richard Tauber war. Am Wochenende besuchte Kurt Girk die Tanzschule Dumser im Haus neben der Schneiderei. Der junge Lehrling war immer elegant angezogen, das gefiel Paula Dumser, der Leiterin der Tanzschule. Der "klasse Bursch" wurde zu einem gefragten Tänzer. So wie auch sein Freund Ferdl, den Gerhard Bronner in seinem Lied vom "G’schupften Ferdl" verewigen sollte …

Tagsüber bin ich mit dem Rosswagen und dem Eisen gefahren, am Abend hab ich gesungen

Kurt Girk fand in jenen Jahren noch eine Beschäftigung. "Ganz Wien war ein Schrotthaufen", erinnerte er sich. Zuerst war er mit dem Handwagen unterwegs, dann mit dem Pferdewagen. Überall wurde Eisen gesammelt und verkauft. Der "Eisen-Girk" war bald in der Stadt bekannt, gern gesungen hat er schon als Kind. "Früher hast du bei jedem offenen Fenster irgendwen singen gehört." Die Frage, wo er singen gelernt hat, überraschte ihn: "Was braucht man da viel lernen? Du stellst dich einfach hin und singst!"

Ende der Vierzigerjahre debütierte Kurt Girk beim Weingartner in der Ottakringer Straße. "Tagsüber bin ich mit dem Rosswagen und dem Eisen gefahren, am Abend hab ich gesungen." Ab 1950 trat Kurt Girk in Wirtshäusern auf - und im Schlachthof St. Marx. Bei einem Ausschank für Sauschneider, Viehtreiber und Viehhändler gaben er und seine Freund/innen bald umjubelte Wienerlied-Konzerte. "Der Kurtl war eine Naturgewalt", sagen Musikerkolleg/innen. "Er war einer der Letzten seiner Zunft: absolut authentisch und herrlich ungeschliffen."

Wie heißt es auf seiner CD "Küssen! Singen! Trinken!"? "Wer nicht singt, der hat kein Herz im Leib." Der "Kurtl" hatte ein großes Herz.

Gestaltung

  • Heinz Janisch