APA/ALOIS LITZLBAUER
Memo
Ein himmlisches Versicherungspaket - Die 14 Nothelferinnen und Nothelfer
Sie versprechen 14 Mal Hilfe in der Not: Für jede missliche Lage, für jedes Problem, für jede Krise findet sich eine oder einer. Die christliche Tradition kennt 14 hochspezialisierte „Nothelfer“ und „Nothelferinnen“ für die unterschiedlichsten Situationen: Ob etwa Achatius, der für den Schutz vor Krieg und Kopfweh zuständig ist, Christophorus, der Reisende und Schatzgräber schützen soll, oder Vitus, an den sich im Speziellen Jugendliche und Bierbrauer wenden.
7. Jänner 2021, 02:00
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Memo | 08 12 2020
Gemeinsam sind sie stark: Die 14 Nothelfer/innen werden der Tradition zufolge am besten im Paket angerufen. „Sie sind sozusagen eine Bündel-Versicherung, ein himmlisches Versicherungspaket. Der Vorteil: Wenn ich mir – zum Beispiel jetzt in Corona-Zeiten - nicht sicher bin, wer der oder die Richtige für mein Anliegen ist, rufe ich sie einfach alle an“, sagt der römisch-katholische Theologe und Buchautor Markus Hofer. Er hat sich eingehend mit den Geschichten und Legenden rund um die 14 Nothelfer/innen beschäftigt.
Wann genau sich dieser illustre Kreis von Heiligen herausgebildet hat, ist nicht gesichert, wohl im Laufe des 14. Jahrhunderts im bayrischen Sprachraum. Beim Konzil von Trient im 16. Jahrhundert hat man diese Heiligen als Nothelferinnen und Nothelfer jedenfalls festgeschrieben. Die allermeisten von ihnen waren frühchristliche Märtyrerinnen und Märtyrer aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert.
"Da kommt echt alles vor, Berufspatronate, persönliche Nöte, Gesundheit, Wetter und dann auch noch die Länderpatronate."
Sie zählen zu den ersten Heiligen überhaupt, sagt Markus Hofer. „Da gibt’s auch Zeugnisse von damals, dass Männer und Frauen singend und betend in den Tod gegangen sind. Das hat die anderen Christen sehr beeindruckt und sie haben begonnen, diese Menschen, die ihr Leben für den Glauben gegeben haben, zu verehren.“ Bei den Katakomben, also bei den Gräbern dieser Märtyrer/innen, habe man sich dann getroffen und Gottesdienste gefeiert. „Mit der Zeit hat sich auch der Reliquienkult herausgebildet und darin wurzelt letztlich die gesamte christliche Heiligenverehrung.“
Schon früh haben sich fabelhafte und zugleich schauerliche Legenden um sie gerankt. Zuständig waren sie in der Folge für alles Denk- und Undenkbare: „Da kommt echt alles vor, also Berufspatronate, persönliche Nöte, Gesundheit, Wetter und dann auch noch die Länderpatronate. Der Heilige Georg ist beispielsweise heute noch der Patron von England, Georgien und Griechenland“, erklärt Markus Hofer.
Mitunter werden regional auch andere Heilige dazu und manche weggezählt, je nach Tradition, aber im Grunde sind es diese 14:
Achatius von Byzanz: Ein sogenannter Soldaten-Märtyrer, der historisch nicht klar festzumachen ist. Soll wegen seines Glaubens mit Dornen gegeißelt und schließlich enthauptet worden sein. Wurde u.a. zum Patron der Soldaten und soll Schutz vor Krieg und Verfolgung bieten. Daneben war er auch zuständig für Kopfweh.
Ägidius von Saint-Gilles: Der einzige unter den Nothelfer/innen, der nicht als Märtyrer starb. Gilt u.a. als Helfer für eine gute Beichte und Patron der stillenden Mütter. Ein im Mittelalter extrem populärer Heiliger, einige Orte sind nach ihm benannt, z.B. St. Gilgen am Wolfgangsee.
Barbara: Eine der bekanntesten christlichen Heiligen, historisch aber kaum fassbar. U.a. Patronin der Bergleute, Geologen, Architekten, Maurer, Elektriker, Bauern, Köche, Totengräber und besonders der jungen Frauen. Mit den „Barbara-Zweigerln“ ist sie vielerorts aus dem vorweihnachtlichen Brauchtum nicht wegzudenken.
Blasius: Arzt und Bischof, der Legende nach mehrere Male brutal gefoltert und dann enthauptet. Wurde vor allem in Gesundheitsfragen angerufen, besonders bei Halsschmerzen. Bekannt ist heute noch der sogenannte Blasius-Segen.
Christophorus: Trug der Legende nach ein Kind durchs Wasser, das sich als Jesus Christus herausstellte. U.a. Patron der Reisenden, Pilger und Autofahrer sowie Schutzmacht vor einem unvorhergesehenen Tod.
Cyriakus: Wurde vor allem in seelischen Nöten angerufen, u.a. Patron der Winzer und Nothelfer gegen Frost, Gewitter und schlechtes Wetter.
Dionysius von Paris: Trägt in den Darstellungen sein eigenes Haupt unter dem Arm. Wurde als erster Bischof von Paris enthauptet und ist seitdem zuständig für den Schutz vor Kopfweh und Tollwut.
Erasmus von Antiochien: Gemäß der Legende wurde ihm die Gedärme mit einer Schiffswinde aus dem Leib gezogen. Wird angerufen bei Unterleibsschmerzen, ist u.a. Patron der Seeleute und Weber.
Eustachius: Wurde zum Nothelfer gegen die Zerstörung der Natur, u.a. Patron der Förster, Jäger und Tuchhändler. Konnte auch in Glaubenszweifeln angerufen werden.
Georg: Großer Held und Kämpfer, als Vorbild christlicher Tapferkeit bereits frühe verehrt, besonders von den Kreuzfahrern. Als Nothelfer Patron der Reiter und Pfadfinder, aber auch der Waffenschmiede.
Katharina von Alexandrien: Schöne und weise Frau, die der Legende nach im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder kam. U.a. Patronin der Mädchen, Nonnen und Ehefrauen sowie der Philosophen, Studenten oder Buchdrucker.
Margareta von Antiochien: Soll im Kerker einen Drachen und somit den Teufel besiegt haben. Wird angerufen zum Thema Fruchtbarkeit und Gesichtskrankheiten, ist u.a. Patronin der Gebärenden und Hirten.
Pantaleon: Soll ein Kind wieder zum Leben erweckt haben, ist u.a. Patron der Kranken und Ärzte. Wurde außerdem angerufen bei Heuschreckenplagen und Viehkrankheiten.
Vitus: Der Legende nach hat er schon als Kind heldenhaft gewirkt, daher war er der Patron der Jugendlichen – aber auch der Gastwirte, Schauspieler und Bierbrauer. Soll vor Unwetter, Feuersgefahr und „hysterischen“ Krankheitsbildern schützen.
„Die Grenze zwischen Glauben und Aberglaube ist bei der Heiligenverehrung oft recht dünn."
APA/BARBARA GINDL
Im Mittelalter und im Barock hat sich ein regelrechter Kult um die Heiligen herausgebildet, schildert Kathrin Pallestrang, europäische Ethnologin und Kuratorin im Volkskundemuseum Wien: „Die Grenze zwischen Glauben und Aberglaube ist bei der Heiligenverehrung oft recht dünn. Was gültig und erlaubt ist, hängt aber auch von der jeweiligen Zeit ab.“ Im Mittelalter und Barock wurde etwa noch von der Amtskirche gebilligt, dass Reliquien ohne schützendes Behältnis herumgereicht und geküsst wurden. „Und da kam es auch manchmal vor, dass Gläubige ein Stück von Knochen abgebissen haben. Das war einfach ein Ausdruck von besonderer Frömmigkeit.“ Eine Praktik, die heute von der Amtskirche freilich unvorstellbar und untersagt ist.
Die Heiligenverehrung wurde durch die Jahrhunderte immer wieder von Theologie und Amtskirche reguliert, sagt Kathrin Pallestrang, die sich viel mit dem Thema Volksfrömmigkeit beschäftigt hat. „Laut römisch-katholischer Kirche darf man sich an die Heilligen wenden, man darf sie verehren, aber sie wirken immer nur durch Gott. Sie sind heilig durch ihre Anteilnahme an der Heiligkeit Gottes und nur so können sie den Gläubigen Schutz bieten oder etwas für diese erbitten.“ In der Glaubenspraxis werde das oftmals nicht so genau genommen. Aber an sich sei schon immer klar geregelt gewesen, dass das keine „Nebengötter“ seien, so Pallestrang.
„Wenn ich nicht sicher bin: Einfach alle Nothelfer/innen um Hilfe und Beistand bitten.“
Die Heiligen wurden in der Regel am Tag ihres Todes gefeiert, jedem Tag des Jahres war mindestens ein Heiliger, eine Heilige zugeordnet. Und so haben sich Menschen auch das Jahr strukturieren können. Es gab im Mittelalter und auch noch danach einen großen Anteil von Analphabet/innen in der Bevölkerung und anhand der Heiligenfeste hat man sich dann doch eine Struktur schaffen können. Beispiel dafür sind die sogenannten Mandlkalender oder Bauernkalender, die ursprünglich mit Abbildungen der Heiligen und ihren Attributen versehen waren und so Orientierung boten.
Der Namenspatron, die Namenspatronin spielt seit dem Mittelalter in der katholischen Kirche ebenfalls eine große Rolle, so die Volkskundlerin. „Ursprünglich wurden Kinder nach dem oder der Heiligen benannt, dessen oder deren Verehrungstag mit ihrem Tauftag zusammenfiel. Und der Namenstag war dann wichtiger als der Geburtstag, das ist lange so geblieben.“
Insgesamt habe die Verehrung der Heiligen und Nothelferinnen und Nothelfer im Speziellen in den vergangenen Jahrzehnten wieder zugenommen, meinen Kathrin Pallestrang und Markus Hofer: „Ein Beispiel dafür: Die große Basilika Vierzehnheiligen im Frankenland hat normalerweise rund 500.000 Besucher/innen pro Jahr. Es kommen jetzt auch wieder viel mehr Pilgergruppen als noch vor 20 Jahren.“
Ansonsten ist die Verehrung der 14 Nothelfer/innen heute eher auf ländliche Gebiete beschränkt, in denen diese Tradition aufrechterhalten wurde. Aber gerade in Zeiten, in denen neue Krankheiten der Wissenschaft Rätsel aufgeben, könnten die 14 Nothelferinnen und Nothelfer wieder ins Spiel kommen, meint Markus Hofer. Wer ist denn nun nach römisch-katholischer Lehre anzurufen zum Schutz vor Corona? „Man kann es bei der heiligen Corona versuchen“, aber über die wisse man nicht viel, außer dass sie vereinzelt auch bei Tierseuchen angerufen worden ist. Aber: „Wenn ich nicht sicher bin, gilt wieder das Prinzip: Einfach alle Nothelfer/innen um Hilfe und Beistand bitten.“