Ein Szenebild aus "Die Maschine in mir"

BURTHEATER/MICHAEL MAERTENS

Theater

"Die Maschine in mir" - Transhumanismus im Burgtheater-Kasino

Mit "Die Maschine in mir" startete das Burgtheater zu Silvester eine aufwändige Produktion für den virtuellen Raum: An elf Abenden steht Michael Maertens auf der Bühne des Burgtheater-Kasinos und spielt 50 Minuten allein - umgeben von Kameras und mit Blick auf 100 Tablets, auf denen die voraufgezeichneten Gesichter seines Publikums zu sehen sind. Inszeniert wird das Experiment vom britisch-irischen Duo Dead Centre, das bereits im Jänner mit "Traumdeutung" überraschte.

Das Stück haben die beiden Regisseure in nur wenigen Monaten im Zuge der Pandemie geschrieben. Ausgangspunkt war die Reportage "Unsterblich sein" des irischen Journalisten Mark O'Connell, der sich in seinem Buch mit dem Thema des Transhumanismus beschäftigte: Einer Bewegung, die die Beschränkungen des Körpers durch den Einsatz von Technik erweitern will.

"Man hört ja oft, dass das Theater ein sterbendes Medium sei und ich glaube, das stimmt auch - es ist das Sterbe-Medium, ein Ort, an dem wir gemeinsam in Echtzeit sterben", sagt Maertens alias O'Connell gleich zu Beginn des Abends. "Deswegen ist es herrlich, heute am 31. Dezember um 18.07 Uhr gemeinsam die nächsten 40 Minuten zu sterben".

Ich bin ja ein grauenhafter Agnostiker, und so wie ich an vieles nicht glaube, glaube ich leider auch nicht an ein Leben nach dem Tod. Ich glaube auch nicht, dass es uns gelingen wird, sich in einen Eisschrank zu legen und nach 200 Jahren wieder aufgeweckt zu werden.

Das Publikum und sein früheres Ich

Seine Uraufführung feierte "Die Maschine in mir (Version 1.0)" im Oktober auf dem Dublin Theatre Festival, die Zusammenarbeit mit dem Burgtheater kam kurzfristig zustande. Für sein Buch hat O'Connell zahlreiche Vertreter des Transhumanismus wie etwa den Biohacker Tim Cannon oder den Futuristen Max More getroffen, die sich teilweise Apparaturen in den Körper einpflanzen oder Firmen betreiben, in denen sich Menschen nach ihrem Ableben konservieren lassen können. Michael Maertens spielt den Journalisten O'Connell - der in die Entstehung des Stücks auch eingebunden war -, der seinen nur virtuell anwesenden Zuschauern von Gesprächen mit Vertretern des Transhumanismus erzählt. Er steht dabei live auf der Bühne und spricht in eine Kamera, aber auch via Tablet mit sich selbst.

Ich finde Theater lebt davon, dass wir gemeinsam in einem Raum sind und gemeinsam den Moment erleben und nicht irgendwo einsam zu Hause. Daher war ich erstmal skeptisch und habe gesagt, das mache ich nicht. Als ich dann aber gehört habe, wer das macht, war ich dabei.

Jeden Zuschauer live auf ein eigenes iPad zu bringen, sei zu technisch zu kompliziert und daher zu teuer gewesen. "Das schaffen nur Giganten wie etwa die NBA oder Ellen DeGeneres", lacht Moukarzel. Auch entspreche die nun gefundene Lösung, dass die Zuschauer vorab einige bestimmte Szenen aufnehmen sollen, dem Thema des Transhumanismus. "Der Zuschauer blickt bei der Vorstellung quasi auf sein zuvor hochgeladenes, früheres Ich", so Kidd. Schließlich hofften Transhumanisten, dass es irgendwann möglich sein wird, sein Bewusstsein ins Internet zu laden, um später wieder darauf zugreifen zu können, wenn es technisch möglich wird.

Dass das Thema Transhumanismus gar nicht so weit hergeholt ist, wird an einer Stelle des Abends besonders deutlich: "Trägt jemand orthopädische Einlagen? Haben Sie ein Hörgerät?", fragt Maertens, während die Gesichter der Zuschauer herangezoomt werden. "Tragen Sie einen Herzschrittmacher? Benutzen Sie die Spirale? Sind Sie Rollstuhlfahrerin? (...) Wenn Cyborgs menschliche Körper sind, die durch technologische Hilfsmittel unterstützt und erweitert werden, sind wir dann nicht sowieso schon welche?"

Bei den Proben starre ich ja auf 100 dunkle Tablets. Ich glaube, ich werde einen Schreck bekommen, wenn ich dann auf einmal meine Mutter und meinen Bruder sehe, die auch dabei sein wollen.

Die Miteinbeziehung des Publikums ist für Dead Centre kein Novum. Bereits im Jänner konnte man im Akademietheater in der "Traumdeutung" erleben, wie jemand aus dem Publikum auf die Bühne kommt und kurzerhand zum Hauptdarsteller des Abends gemacht wird.

Natürlich könne bei einem derart technisierten Theaterabend einiges schief gehen, geben die beiden zu. "Aber das ist ja beim Theater immer so. Da kann der Strom ausfallen oder ein Schauspieler sterben. Wir haben jetzt halt ein paar Risiken mehr", lacht Moukarzel. Wird "Die Maschine in mir" auch noch nach der Pandemie funktionieren? "Wir werden sehen. Wir haben bereits einige Einladungen für nächstes Jahr. Das transhumanistische Projekt hofft natürlich, dass die körperlose Existenz gerade erst beginnt. Aber im Ernst: Es wird sich erst zeigen, wie schnell die Menschen wieder ins Theater zurückkommen..."

Service

"Die Maschine in mir (Version 1.0)" von Dead Centre und Mark O'Connell, Livestream aus dem Burgtheater-Kasino, mit Michael Maertens. Premiere am 31.12. (ausverkauft). Weitere Termine am 2., 3., 6., 7., 8., 10., 13., 14., 15. und 16. Jänner.

Text: APA/red.

Die Zitate stammen aus einem APA-Interview, das Sonja Harter mit Michael Maertens führte.