Junger Jazz aus Österreich

18. Februar 2021, 19:00

Jazzinteressierte wissen Bescheid: Seit Herbst 2015 wird unter dem Namen "5 Millionen Pesos" einmal pro Monat an einem Freitagabend ins Wiener RadioCafe gebeten, um jungem Jazz in und aus Österreich zu lauschen: Großer Wert wird dabei auf Bands mit Mut zu eigenständigen, aufregenden Konzeptansätzen, zu Originalität und persönlicher Aussage gelegt. Die Konzerte werden aufgenommen und in einer "Ö1 Jazznacht" gesendet - die jeweiligen Bandleader sind als Interviewgäste eingeladen.

Einmal im Jahr allerdings ist vieles anders: Statt des intimen RadioCafes wird der Große Sendesaal des RadioKulturhauses bespielt, statt einer stehen drei Formationen auf der Bühne, und der gesamte Abend wird im Rahmen einer zweieinhalbstündigen X-Large-Ausgabe von "On stage" live in Ö1 übertragen. Am 18. Jänner geschieht dies zum vierten Mal, erneut betreten drei konträre Ensembles die Bühne, nicht nur was die Besetzungsgröße anbelangt.

Witz und Verve

Den Auftakt machen Astrid und Beate Wiesinger, das zurzeit vielgefragte Schwesternduo aus Oberösterreich: Nicht zufällig berief Christian Muthspiel beide in sein 2019 gegründetes Orjazztra Vienna. Im Duo 4675, das seinen Namen der Postleitzahl des Heimatorts Weibern im Bezirk Grieskirchen entlehnt, gibt es im Gegensatz dazu nur sie beide: das virtuose, mit exzellentem Timing geblasene Altsaxofon Astrid Wiesingers und den rhythmisch ebenso kraftvollen wie melodisch und klanglich ideenreichen Kontrabass von Beate Wiesinger. Eigenkompositionen voll Witz und Verve sind da zu hören, zuweilen auch hinreißende Versionen von Kompositionen Thelonious Monks.

Innenschau hält hingegen der Wiener Pianist Martin Listabarth: In seinem Programm "Short Stories" erzählt er klingende, zuweilen durchaus bluesig-expressive Geschichten - etwa über eine Trafikantin in Wien-Favoriten, die seine Großmutter war, und imaginäre Ozeanfahrten auf der Cap San Diego damals im Kinderzimmer. Szenen aus dem Tagebuch des eigenen Lebens, bildhaft und fantasievoll in Töne gesetzt.

Wesen eines Klangbildhauers

Vom Solo zum Großensemble: Mit dem 1988 in Linz geborenen und in Wien lebenden Ralph Mothwurf präsentiert einer der talentiertesten jungen Jazzkomponisten Österreichs sein in der "Edition Ö1 - Jazz Contemporary" erscheinendes CD-Debüt "Zelt". In Mothwurfs Musik begegnen einander Jazzimprovisation und Einflüsse der klassischen Moderne auf Augenhöhe und verschmelzen zu immer wieder neuen, plastisch geformten, groovig animierten Gestalten.

Beinahe wie Wesen eines Klangbildhauers durchwandern sie mannigfaltige rhythmische und farbliche Aggregatzustände und nehmen dabei immer wieder neue, überraschende und doch schlüssige Formen an - modelliert aus dem reich tönenden Rohstoff eines 22-köpfigen Orchesters, in dem sich Jazzimprovisator/innen und klassisch geschulte Instrumentalist/innen wechselseitig ergänzen. Der eindrucksvolle Abschluss eines mit stimulierenden, anregenden Klängen reich gefüllten Abends!

Service

Duo 4675
Martin Lisbarth
Ralph Mothwurf

Gestaltung

• Andreas Felber