Ein Kind hält eine Kerze und lacht seine Mutter an.

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Lachen mit Gott

Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Religionen und religiösen Menschen wird oft nachgesagt, wenig Spaß zu verstehen. Doch so bierernst und humorbefreit, wie oft unterstellt, sind weder die religiösen Traditionen noch deren Anhängerinnen und Anhänger.

So gab es im Christentum bis zur Renaissance in einigen Kirchen einmal im Jahr eine sogenannte "Narrenmesse", bei der nicht nur Würste am Altar gegessen und Schuhsolen im Weihrauch verbrannt, sondern auch schmutzige Witze erzählt wurden, um das Volk zum Lachen zu bringen.

In Vergessenheit geraten ist heute auch die im Mittelalter feste Institution des "Osterlachens", bei dem nicht nur die Auferstehung Jesu mit grenzenloser Freude begrüßt wurde, sondern auch der Tod und der Teufel schadenfroh ausgelacht wurden, da sie durch Ostern überwunden waren.

„Humor ist eine unverkrampfte, zugleich krampflösende Grundhaltung“

"Humor befriedigt nicht einfach das Bedürfnis einer Spaßgesellschaft nach seichter Ablenkung , sondern dient dazu, die Schwachpunkte und Überzogenheiten von Ideologien und Dogmen aufzudecken. Er zwingt die Menschen zu einem selbstkritischen Umgang und hinterfragt, warum die Dinge sind, wie sie sind - und nicht anders."

Die evangelische Theologin und Clownin Gisela Matthiae beschreibt Humor weiters als Fähigkeit und Wille sich selbst zum Lachen zu bringen, in Situationen wo man genau so gut heulen oder vor Wut aus der Haut fahren könnte. Dazu braucht es laut Matthiae eine veränderte Perspektive. „Die Lust, auch immer wieder auf ein und dieselbe Sache, auf eine Situation, anders hinzuschauen und den Spielraum zu entdecken, der für Deutungen und Zugangsweisen, für Handlungen besteht.“

"Wohl der Religion, die Humor hat“

Humor kann also auch ein Lebenselixier und die Quelle von Resilienz sein. Eine Möglichkeit, gegen zweifelhafte Autoritäten auf- und für Menschlichkeit einzutreten. Deswegen brauchen Religionen Humor als Schutz vor fundamentalistischer Engführung.

„Ich glaube, es gibt Religionen, die haben schon mehr Humor – vom Buddhismus denke ich das, obwohl ich mich jetzt da nicht so gut auskenne – aber grundsätzlich würde ich sagen: Alle Religionen brauchen Humor, damit sie nicht im Fanatismus enden. Das ist für mich das Allerwichtigste, denn ich halte Religionen für besonders gefährdet, dogmatisch zu sein oder fundamentalistisch ausgelegt zu werden und da hilft Humor als kritische Instanz. Ich will sagen: Wohl der Religion, die Humor hat“, sagt Gisela Matthiae.

Wer lacht ist völlig unabgelenkt im Hier und Jetzt.

Die Darstellungen des lachenden Buddha sind weit über den fernen Osten hinaus verbreitet Quietschvergnügt und wohlgenährt sitzt er da, der lachende Buddha. Während andere religiös prägende Gestalten bzw. Persönlichkeiten in der Regel recht ernsthaft dargestellt werden, scheint er sich einfach nur köstlich zu amüsieren. Und auch der prominenteste lebende Vertreter des Buddhismus, der 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso, hat ein recht fröhliches Naturell und zeigt auf vielen Fotos ein verschmitztes Lächeln. Besonders im Zen-Buddhismus wird der Humor hochgeschätzt - wissen doch erfahrene Lehrmeister/innen: Wer lacht, atmet intensiv, ist ganz mit seiner Körperlichkeit verbunden, völlig unabgelenkt im Hier und Jetzt.

Lachen kann aber auch in schwierigen Situationen besonders hilfreich sein. Man kann Unterdrücker durch den Kakao ziehen, wie es im jüdischen Humor oft geschieht, und Bedrohungen ins Lächerliche ziehen. Auf diese Weise kann man kreativ mit Problemen umgehen, die Deutungshoheit über die Situation wiedergewinnen und die eigene Resilienz deutlich steigern.

Für Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg ist Humor eine Methode, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer/innen auf die ernsteren Anliegen zu lenken. Humor hat im Judentum einen fixen Stellenwert: Egal ob es um Religion, Geschichtsaufarbeitung, Politik oder Zwischenmenschliches geht – das Augenzwinkern besiegt jede Form von Autorität und Fundamentalismus.

"Die Schultern anheben, Einatmen und Seufzen."

Obwohl Humor auch im Christentum eine lange Tradition hat, scheint das Lachen in den Kirchen und seine befreiende, aber auch kritische Funktion vielerorts in Vergessenheit geraten zu sein.

Was kann man also tun, wenn man das Gefühl hat, den Humor zu verlieren? Die evangelische Theologin und Clownin Gisela Matthiae beantworte diese Frage so: "Nicht schnell versuchen darüber hinwegzukommen oder es leicht nehmen. Wie schon deutlich wurde, Humor stellt sich ja gerade der Situation. Und deshalb wäre mein erster Tipp, den ich immer empfehle: ein tiefes Seufzen - also ein genaues Hinspüren in diese Situation - die Schultern anheben, Einatmen und Seufzen. Und erstaunlicherweise geht’s einem auch gleich besser, wenn man geseufzt hat. Dann bin ich auch eher wieder bereit, die Möglichkeiten zu entdecken, die da sind. Und ich glaube, das mache ich im Humortraining vor allem: den Spielraum wiederentdecken. Was habe ich in dieser Situation doch noch für einen Spielraum, den ich gar nicht nutze?"

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