ORF/JOSEPH SCHIMMER
"Die Revanche der Schlangenfrau"
Bestes Originalhörspiel
Eine Fachjury aus Literatur- und Kulturkritiker/innen wählte aus neun eigens für das Hörspiel entstandenen Produktionen das "künstlerisch anspruchsvollste und ansprechendste Originalhörspiel des Jahres 2020".
26. Februar 2021, 15:42
Ausgezeichnet wurde „Die Revanche der Schlangenfrau. Ein Klangcomic frei nach Unica Zürn“ von Natascha Gangl und dem Komponist/innen-Duo Rdeča Raketa (Maja Osojnik und Matija Schellander).
Das Hörspiel ist die Fortsetzung einer bereits länger andauernden Beschäftigung der Autorin mit dem Leben und Werk der 1916 geborenen Künstlerin Unica Zürn. Die Reduktion der Surrealistin, auf ihre Biografie, ihr Musen-Dasein und das Stigma der psychischen Erkrankung regten Natascha Gangl an, sich mit deren Schaffen auf unterschiedlichsten Ebenen zu beschäftigen.
In „Die Revanche der Schlangenfrau“ verleiht die Autorin der fragilen Persönlichkeit ihrer Protagonistin magische Superheldinnen Kräfte und verwandelt sie in eine unsterbliche Schlangenfrau.
MAJA OSOJNIK
Laudatio von Juror Daniel Hadler
Auf der Frankfurter Buchmesse, fern der gleichförmigen Literatur und im hintersten Winkel, dort wo die wahren Schätze zu finden sind, entdeckte die Autorin der hier ausgezeichneten Hörspielproduktion vor Jahren das Werk der Surrealistin Unica Zürn.
Die Autorin holt Zürn aus der Opferecke, befreit ihre Rezeption von der pathologischen Pathologisierung und zeigt, dass sie mehr als nur Muse der Avantgarde, mehr als nur eine Rastlose war, die aus ihrem Künstlerleben flüchtete. ‚Die Revanche der Schlangenfrau‘ bietet in dieser Zeit des kollektiven Distanzerlebens ein Hörspiel, das in jeder Sekunde nach Live-Erlebnis schmeckt: pur, energisch und mit dem Rückenwind eines surrealistischen Erbes, das mit kluger Lebensfreude auf eine neue Ebene gehoben wird.
Es hielt sie fest und sie hielt fest daran. Eine künstlerische Umarmung, innig wie produktiv, gefolgt von jahrelangem Ein- und Auf- und Abarbeiten.
Unica Zürn, die deutsche Surrealistin, deren Todestag sich im Vorjahr zum 50. Mal jährte, ist in Vergessenheit geraten. In ihren Grenzüberschreitungen in Wort und Tuschestrich, angesiedelt zwischen verspieltem Traumtanz und alptraumhafter Selbsterörterung, machte sie die Sprache zum Versteck der Geheimnisse. Wer sich in ihren semiotischen Labyrinthen verliert, kann einiges gewinnen.
Die Grenzen, die Zürn nie zog, schreibt die Autorin dieses Hörspiels nicht zuletzt im Musikalischen fort. Es ist ein verspieltes wie literarisch kompetentes Partei-Ergreifen für eine Künstlerin, die mehr Ruhm und Aufmerksamkeit verdient hat. Und es ist das Wagnis einer Transformation von Zürns künstlerischen Hybrid-Gedichten in „Klangcomics“ genannte Hör-Hybride. Der Begriff des Klangcomics wird dabei zum Freifahrtschein zwischen den Genres, im Takt des Metronoms geht die biografische Reise von Berlin nach Frankreich, von Aufbruch bis Niedergang, von A wie Anagramm bis Z wie Zurückweisung.
Das Radiopublikum erlebt in diesem Hörspiel einen teils tanzbaren, teils bewusst reduzierten Querschnitt. Selbstgewiss und im Vertrauen auf das Werk Zürns, um das dieses „Kunstradio“ suadisch kreist, bis es symbolisch in Text und Ton auf das einhämmert, was künstlerische Arbeit und Leben der Surrealistin konsequent nah am Abgrund gehalten hat. Doch es ist nicht das Unglück, es ist die Kunst, die hier die Oberhand behält: Die Autorin holt Zürn aus der Opferecke, befreit ihre Rezeption von der pathologischen Pathologisierung und zeigt, dass sie mehr als nur Muse der Avantgarde, mehr als nur eine Rastlose war, die aus ihrem Künstlerleben flüchtete.
„Die Revanche der Schlangenfrau“ bietet in dieser Zeit des kollektiven Distanzerlebens ein Hörspiel, das in jeder Sekunde nach Live-Erlebnis schmeckt: Pur, energisch und mit dem Rückenwind eines surrealistischen Erbes, das mit kluger Lebensfreude auf eine neue Ebene gehoben wird. Für dieses Werk gratuliere ich im Namen der Jury ganz herzlich: Autorin Natascha Gangl mit den Komponisten Maja Osojnik und Matija Schellander.
Service
Die Sendung "Kunstradio - Radiokunst" sendet das prämierte Originalhörspiel am Sonntag, 28. Februar 2021.
Übersicht
- Ö1 Hörspiel-Gala