Podcast
Aigners Universum
Im neuen Ö1 Podcast „Aigners Universum“ geht es um Wissenschaft und die ganze Welt. Eigentlich um ausnahmslos alles. Und das ist auch gut so, findet der Quantenphysiker Florian Aigner. Das Universum ist im Großen und Ganzen eine nützliche Sache.
3. April 2021, 02:00
Aigners Universum können Sie immer zum ersten Donnerstagtermin des Monats in den Dimensionen und als Podcast hören.
Nach knapp 14 Milliarden Jahren wird es Zeit, eine vorsichtige Zwischenbilanz zu wagen: Jawohl! Man kann sagen, der Urknall hat sich gelohnt.
Anfangs gab es bloß ein brennendheißes Gewusel aus Energie, heute gibt es Dinge. Das ist zweifellos ein Fortschritt. Es gibt Protonen und Planeten, es gibt partielle Differentialgleichungen und Walderdbeerjoghurt, es gibt Pinienwälder und Steuergutschriften. Und wir Menschen, mit unseren frustrierend beschränkten Gehirnen, wir versuchen in all dem ein bisschen Ordnung und Struktur zu erkennen. Irgendjemand muss das schließlich machen.
Wir wollen also wissen, woraus das Universum besteht – und das ist eine komplizierte Frage. Wir selbst bestehen aus biologischem Gewebe. Manches davon tut weh, wenn man sich zu wenig bewegt, anderes tut weh, wenn man zu viel gegessen hat. Das kann man alles wissenschaftlich untersuchen, zum Beispiel indem man genauer hinsieht und herausfindet, woraus dieses Gewebe besteht: Es ist aus Zellen aufgebaut, aus winzigen Dingen, die sich völlig anders benehmen als wir. Und diese Zellen bestehen aus Molekülen, die wiederum aus Atomen zusammengesetzt sind. Und auch diese Atome können wir wieder zerlegen, bis nur noch Elementarteilchen übrigbleiben, ausdehnungslose Energieeinheiten, die verwirrenden Regeln gehorchen.
Ist das die Lösung? Wenn also die Biologie bloß eine komplizierte Form der Chemie ist, und Chemie eine komplizierte Form der Physik, ist dann nicht jedes denkbare Wissen bloß eine elaborierte Form von Elementarteilchenphysik?
Nicht wirklich. So kommen wir nicht weiter. Wenn wir unsere Welt geistig in ihre winzigen Bestandteile zerlegen und diese Ebene dann für die eigentlich, wahre Betrachtungsweise halten, dann wird uns ziemlich schnell langweilig. Dann gibt es im Universum bloß Gegenden mit geringer Teilchendichte, etwa das intergalaktische Vakuum, und Gegenden mit höherer Teilchendichte, etwa die Eiskruste des Saturnmonds Enceladus. Oder eine Raufasertapete. Oder das endoplasmatische Retikulum in einer Zelle im Ohr meiner Katze. Aus teilchenphysikalischer Sicht macht das keinen nennenswerten Unterschied.
Nein, wir müssen uns das Universum anders sortieren. Für uns Menschen sind die Grundelemente unserer Welt nicht Elektronen, Quarks oder Neutrinos, sondern Geschichten. Geschichten sind Netze, die unterschiedliche Elemente unserer Welt auf sinnvolle Weise verknüpfen. Und darauf kommt es an. Wir Menschen finden Halt in diesem verwirrenden Universum, indem wir es in unserem Kopf mit Geschichtennetzen zusammenhalten.
Genau diesen Zweck haben auch Radiosendungen - oder Wissenschaftspodcasts. Wir können miteinander kleine Geschichten teilen, neue Verbindungen zwischen verschiedenen Gedanken ausprobieren und herausfinden, ob wir dadurch die Welt besser verstehen.
In einem Podcast das Universum zu erklären, die Wissenschaft und überhaupt alles – das ist eine wunderschöne Aufgabe. Und zwar genau deshalb, weil diese Aufgabe selbstverständlich von vornherein absolut unlösbar ist. Noch wunderschön unlösbarer wird die Aufgabe dadurch, dass die Beiträge nur drei bis vier Minuten dauern sollen. Natürlich kann niemand in dieser Zeitspanne die großen Fragen des Universums beantworten, das ist unmöglich. Aber wir können Geschichten teilen. Und wo kämen wir hin, wenn man immer nur das versuchen würde, was möglich ist!
Gestaltung: Florian Aigner, Quantenphysiker