Peter Handke

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"Mein Tag im anderen Land"

Peter Handke: Poetik des Eigensinns

Als die Schwedische Akademie 2019 verkündete, dass Peter Handke mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wird, war die mediale Empörung groß. Handke, der wegen seiner umstrittenen Haltung im Balkankonflikt bald im Kreuzfeier der Kritik stand, war nicht nur mit einer Flut scharfzüngiger Kommentare konfrontiert. Auch die Verleihung des Nobelpreises wurde von Protesten begleitet. Nicht zufällig legt Handke jetzt mit der Parabel "Mein Tag im anderen Land" einen Text vor, der einen Außenseiter, einen Unverstanden in den Mittelpunkt rückt.

Im Dorf gilt er als Besessener, der mit seinen "Schmähreden" und "Redekreuzzügen", die Dörfler in Angst und Schrecken versetzt. Sind es Dämonen, die von ihm Besitz ergriffen haben? Er, der einstige Obstgärtner, zieht durch die Straßen des Dorfes und spricht in einer Sprache, die nur er selbst versteht. Als Herrscher über ein einsames poetisches Königreich bleibt er ein Außenseiter. "So wie ich mich auf der Dorfstraße sehen ließ, sei es nicht bloß zu einem allgemeinen Ausweichen gekommen, sondern zu einer Flucht, hinein in die Häuser."

Die "Redekreuzzüge" eines Besessenen

Die Publikumsbeschimpfung war von jeher ein Genre, in dem Peter Handke zur Höchstform auflief. Als junger Mann bezichtigte er die versammelte Schriftstellerelite der Gruppe 47 der Beschreibungsimpotenz. Dass es sich im Wesentlichen um alte weiße Männer handelte, die der damals 27-Jährige geißelte, verlieh dem legendären Auftritt die nötige Schärfe. Der Paukenschlag fand Gehör: In den 1960er Jahren stieg Peter Handke zum Popstar der deutschsprachigen Literatur auf. Heute ist er selbst ein alter weißer Mann und sein Feind ist nicht mehr das Establishment, sondern der Zeitgeist.

"Mag ja sein, dieser Widerstand, das unausrottbar Widerständische im Wesen ist eine Krankheit, aber die ist auch gesund", resümiert der Besessene in Peter Handkes Band "Mein Tag im anderen Land", der sich in das so genannte andere Land aufmacht und geheilt zurückkehrt. Der Blick in den Spiegel wird jedoch zur Begegnung mit einem Fremden, der längst altersmilde geworden ist. "Ein so müder wie sanfter Mann blickte mir entgegen."

Buchumschlag

SUHRKAMP VERLAG

Die große Schmähung des Zeitgeists

Mit "Mein Tag im anderen Land" hat Peter Handke eine Parabel verfasst, die um ein Zentralgestirn seines literarischen Kosmos kreist: Den Außenseiter. Einmal mehr bricht der Autor eine Lanze für den poetischen Eigensinn. Es sind unzeitgemäße Betrachtungen, die Peter Handke in elegant gewundenen Satzgirlanden präsentiert. Auf einen Einschub folgt ein Einschub, folgt ein Einschub, so als würde dieser Autor, der sein Leben lang das Verhältnis von Welt und Sprache ausgelotet hat, der Sprache im Innersten misstrauen, sie immer und immer wieder prüfen, denn eines will dieser Autor ganz gewiss nicht: Zum Punkt kommen.

Er ist vielmehr, auch dies ein Topos der Handkeschen Literatur, ein Landstreicher in den Gefilden der Sprache. "Wir, du wie ich, wollten ja nie etwas bauen; bloß nichts Festes, nur nichts Massives. Bloß nicht den armen Planeten noch mehr vollbauen, totbauen! Aber Luftschlösser, die unseren: Die sind was anderes."

Der Elfenbeinturm ist sein Habitat

Der Elfenbeinturm ist das Habitat des Peter Handke, diese Enklave verteidigt er mit jedem neuen Text, den er verfasst. Der Zeitgeist spräche von einer Poetik des alten weißen Mannes und zweifellos haftet dieser formvollendeten Prosa etwas Antiquiertes an. Sie ist das Werkzeug eines Autors, der sich schreibend in den Ausnahmezustand versetzt und mit den Grenzen seiner Sprache, die Grenzen seiner Welt markiert.

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Peter Handke, "Mein Tag im anderen Land - Eine Dämonengeschichte", Suhrkamp

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