Peter Handke und der schwedische König Carl Gustav XVI.

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Literaturnobelpreis

Peter Handke erhielt Literaturnobelpreis

Der Dichter Peter Handke besitzt nun offiziell seine Urkunde und seine Medaille, die ihn als Literaturnobelpreisträger 2019 ausweisen: Der 77-jährige Literat erhielt am Dienstag gegen Ende der feierlichen Zeremonie im Stockholmer Konzerthaus die beiden Insignien aus den Händen des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf.

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ORF.at - Handke erhielt Literaturnobelpreis

Diskussion um Peter Handke

War die Kür von Peter Handke eine Fehlentscheidung der Schwedischen Akademie? Ist die Kritik gerechtfertigt oder überzogen? Ist Handke ein Opfer von Medienkampagnen? Darüber diskutierten im "Journal-Panorama" der Politikwissenschaftler Vedran Dzihic, Bachmann-Preisträgerin Maja Haderlap, Germanist Klaus Kastberger und der Kulturwissenschaftler Wolfgang Müller-Funk.

Journal-Panorama | 09 12 2019

Kristina Pfoser

Am Freitag gab es zum Auftakt der Nobelpreiswoche die Pressekonferenz, am Samstag die Nobelvorlesungen und heute endet der Nobelpreisreigen 2019 mit der Verleihung der Preise durch den schwedischen König. Seit am 10. Oktober Peter Handke der Literaturnobelpreis 2019 zuerkannt worden ist, reißen die Debatten um Handkes proserbische Haltung im Jugoslawien Krieg und seine politischen Äußerungen nicht ab. Als "Faschist" und "Genozid Leugner" wurde Handke zuletzt bezeichnet.

Kulturjournal | 09 12 2019 | Handke und der Balkan

Christian F. Wehrschütz

Ein "Meinungen äußernder Mensch"

Ist die Kritik an Peter Handke gerechtfertigt oder überzogen? Spielt das literarische Werk in der emotional aufgeladenen Debatte überhaupt noch eine Rolle, und vor allem - kann man die politischen Ansichten des Autors von seinem Werk trennen? Gerade im Fall von Peter Handke sei das schwierig, meint Politikwissenschaftler Vedran Dzihic: "Weil Handke selbst diesen Anspruch stellt, ein gesellschaftlich denkender und Meinungen äußernder Mensch zu sein."

Problematisch seien Handkes über die Jahre getätigten politischen Äußerungen, von denen er sich nie klar distanziert habe, so der Kulturwissenschaftler Wolfgang Müller-Funk: "Er hat nie gesagt, dass es ein Völkermord war. Ich bin dagegen, diese Dinge kleinzureden, um Handke groß zu machen." Vor allem aber, seien diese Haltungen auch in das Werk Handkes eingeschrieben: "Ich freu mich, dass wir uns einig sind, dass das Jugoslawien-Thema ein integraler Bestandteil des Werks ist."

"Am Markt Authentizität kaufen"

Handke beanspruche für sich einen poetischen Wahrheitsbegriff, der aber die faktische Wahrheit ausheble. Ein Punkt, bei dem der Germanist und Leiter des Grazer Literaturhauses Klaus Kastberger noch zustimmte. "Handke ist ein Konservativer, der nach wie vor glaubt - so wie Goethe im 19. Jahrhundert -, sich auf einem Belgrader Markt Authentizität kaufen zu können."

Allerdings kritisierte Kastberger auch die aus seiner Sicht allzu oft verzerrte und "völlig überzogene Kritik" an Handke: "Die Wendung Genozid-Leugner ist eine Wendung, die analog zu Auschwitz-Leugner gemacht ist - und das ist eine Schweinerei."

"Sich kommentarlos instrumentalisieren lassen"

Dabei habe Handke aber in den letzten Wochen sich und sein Werk wiederholt von rechtsnationalen und konservativen Kräften kommentarlos instrumentalisieren lassen, hielt Politologe Dzihic dagegen: Er hätte sich erwartet, "dass Handke bei seiner Rede doch einen Satz dazu sagt, und nicht nur empört ist".

Immer wieder kreiste die gestrige Diskussion um das Thema der Peripherie in Handkes Werk. Der Autor selbst hatte sich in der Nobelvorlesung auf seine kärntner-slowenischen Wurzeln bezogen: "Die frühesten Schwingungen oder Schwungkräfte kamen nicht von den Künsten, sondern bewegten und durchdrangen das Kind, das ich war, mit den slowenisch-slawischen religiösen Litaneien."

Licht auf die Peripherie

Dazu meinte Maja Haderlap, bezugnehmend auf Handkes Erzählung "Die Wiederholung": Sie habe das berührt. "Wenn man bedenkt, dass man die Kultur und Entwicklungen immer nur in den kulturellen und politischen Zentren Europas ortet - und hier ist ein Licht auf die Peripherie gefallen, die auch in österreichischen Zusammenhängen stiefmütterlich behandelt wurde. Man hat sich für die Zweisprachigkeit geschämt."

Sie vermisse aber jegliche Differenzierung in der Diskussion, die oft ohne fundiertes Wissen geführt werde. Gerade wenn es um die Balkanregionen gehe, die durch die aktuelle Debatte wieder verstärkt in den Fokus gerückt worden seien. "Was in Bosnien, in Serbien, in Czarnogora passiert: Es ist ein Berg an Fragen, die uns beschäftigen müssen - abgesehen von Handke", so die Autorin.

Die aktuelle Debatte als Anstoß ein verdrängtes Kapitel europäischer Geschichte wieder aufzuschlagen.

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