Hopkinson Smith

GIANCARLO RADO

Menschenbilder

Der Lautenist Hopkinson Smith

Hopkinson Smith zählt zu den bedeutendsten Lautenisten des 20. Jahrhunderts. Der 1946 in New York City geborene Smith kam an der Universität Harvard zum ersten Mal mit der Laute in Berührung.

Der Gedanke, den 74-jährigen Lautenisten und Musikpädagogen zu porträtieren, kam mir im Frühling 2020. Im Ö1 Pasticcio lief ein Musikstück, eine Toccata Arpeggiata, gespielt von ihm. Für einen Moment war es am Frühstückstisch mit zwei Volksschülern sehr, sehr still. Ich kannte den Namen des Interpreten, schlug ihn nach und war erstaunt darüber, dass der Amerikaner in Basel lebt. Er freue sich über einen Besuch, schrieb „Hoppy“ - und ich reise also nach Basel.

„Das ist für mich wie eine Umarmung!“

Hohe Einbaukästen aus Kirschholz machen die Wohnung angenehm warm, in der Stube spielt seine Frau mit dem Enkel, und wir beide ziehen uns in das Arbeitszimmer zurück. Endlich habe er ein gutes Arbeitszimmer, sagt Smith, einige seiner vielen Instrumente musste er früher im Keller lagern, jetzt hat alles in einem Raum Platz.

An den Wänden links und rechts sind Regale montiert, die bis zur Decke reichen, voll mit Noten und Literatur, und zuoberst liegen Instrumente in ihren Koffern. Ein paar Lauten hängen an der Wand gegenüber dem Fenster, mit bauchigen Korpussen, breiten Griffbrettern, geschnitzten Wirbeln und sechs, acht, zehn oder 13 Saitenpaaren. „Das ist für mich wie eine Umarmung!“, sagt Hopkinson Smith über den, wie er sagt, „fantastischen“ Raum. Wir setzen uns gegenüber, verstohlen betrachte ich die Instrumente.

"Holzarbeit ist sehr wichtig, aber das Wichtigste ist das Gehör.“

Hopkinson Smith, 1946 in New York City geboren, kam an der Universität Harvard zum ersten Mal mit der Laute in Berührung. Das historische Zupfinstrument war damals etwas Exotisches, die Laute erlangte erst mit der Wiederentdeckung der Alten Musik eine neue Bedeutung – dazu hat auch Hopkinson Smith beigetragen.

In Boston lebte er eine Zeit lang im selben Haus wie ein Instrumentenbauer (das Clavichord, auf dem ich mein Aufnahmeequipment nachlässig abgelegt habe, sei von ihm), und gemeinsam tüftelten sie an der Konstruktion und dem Klang von Lauten. Sie hätten gestritten, erinnert sich Smith, über das richtige Holz für den Bau und wie sie klingen sollten.

Mit dem damaligen Mitbewohner ist Hopkinson Smith immer noch befreundet: „Er kommt in ein Konzert von mir und sagt danach: Ich muss das Instrument aufmachen!“ Er hört unausgeglichene Elemente von einem Ton zum anderen, löst einen Teil der Decke und schneidet bei den Balken ein bisschen etwas weg. Am nächsten Morgen klingt die Laute besser. Holzarbeit ist sehr wichtig, aber das Wichtigste ist das Gehör.“

„Die Laute ist im Zentrum meines Lebens.“

Hopkinson Smith erzählt von der Kindheit in einem sehr europäischen Teil von New York, von der Schulzeit („schlampiger Schüler“), vom Internat („Ich war der Einzige in der Klasse, der Musikunterricht wählte“) und davon, wie die Mutter reagierte, als er um 800 Dollar seine erste Laute kaufte („Denk daran, wie viele warme Wintermäntel du für dieses Geld bekommen würdest!“).

Es ist ein angenehmer Besuch, wir sitzen über zwei Stunden beisammen im Zimmer, das wie eine Umarmung ist. „Die Laute ist im Zentrum meines Lebens“, sagt Hopkinson Smith, und genau so verhält es sich, denke ich.

Gestaltung: Lukas Tremetsberger