Exxpress-Chefredakteur Richard Schmitt in seiner Redaktion.

APA/ROLAND SCHLAGER

Neue Parteimedien

Zwischen Boulevard und Propaganda

"Zur Sache", "Zackzack", "Exxpress" - während die "Wiener Zeitung" ernsthaft um ihre Existenz zittert, entstehen im Netz immer mehr neue Medien, die eines eint: Eine gewisse Nähe zur Politik, die mehr oder weniger transparent ist. Kommt jetzt die Renaissance der alten Parteimedien?

"Österreich auf der Impf-Überholspur im EU-Spitzenfeld" und "Milliarden für Österreichs Arbeitnehmer und Unternehmer". Wer "Zur Sache" liest, erfährt nur Positives über die Regierungsarbeit der ÖVP – kein Wunder, steckt doch hinter dem Online-Medium der ÖVP-Parlamentsklub. Geleitet wird "Zur Sache", das seit Ende Februar online ist, von Claus Reitan, langjähriger Journalist und Ex-Chefredakteur der "Tiroler Tageszeitung". Bis vor kurzem war Reitan auch Ombudsmann beim Presserat, diese Funktion hat er aber für den Job bei der Kanzlerpartei an den Nagel gehängt.

Postenschacher nur bei den anderen

"Zur Sache" berichtete etwa exklusiv über das Ende der deutschen Grenzkontrollen für Tirol Ende März, der Kanzler-Blog verweist dabei ausgerechnet auf "EU-Kreise". Die neu aufgetauchten Handy-Chats von ÖBAG-Chef Thomas Schmid mit unter anderem Sebastian Kurz und Gernot Blümel sind zwar ebenfalls Thema. Unter dem Titel "Was uns die Chats auch sagen" werden aber nur jene Nachrichten thematisiert, die die ÖVP-Politiker in ein gutes Licht rücken. Die Causa werde von Medien und Opposition viel zu groß aufgeblasen, heißt es sinngemäß. "Postenschacher" wird auch geortet, aber an anderer Stelle, nämlich bei SPÖ und NEOS. Außerdem wundert sich der Blog: "Langsam wird’s auffällig: Peter Filzmaier lässt immer wieder einen Wortschwall via ORF in Österreichs Wohnstuben fließen." Anlass war eine kritische Analyse des Politikwissenschafters über die Rolle des Kanzlers beim EU-Impfstoff-Streit in der ZIB2.

Partei-Impressum und Sorgfaltspflicht

Eine neue Erfindung ist das alles nicht. Mit "Zur Sache" mache die ÖVP jetzt das, was die SPÖ mit dem "Kontrast"-Blog und die FPÖ mit "Unzensuriert" schon länger betreibe, auch wenn man nicht alle Partei-Seiten in einen Topf werfen dürfe, sagt der Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl von der Universität Wien. "Grundsätzlich haben Parteimedien eine Berechtigung, wenn sie transparent sind, solange sie keine Desinformation und Verschwörungstheorien verbreiten und sich an die journalistische Sorgfaltspflicht halten." Das sei bei den FPÖ-nahen Seiten "Unzensuriert" und "Info Direkt" etwa nicht der Fall.

Entlastungskanal, wenn der Druck steigt

Für die ÖVP unter Sebastian Kurz sei die neue Plattform auch eine neue Spielart der vielzitierten "Message Control", sagt Eberl: "Gerade wenn es der ÖVP im Moment medial nicht so gut geht, wenn man viel in der Kritik steht, wenn das Pendel in eine andere Richtung auszuschlagen droht, kann man mit solchen Blogs versuchen, mehr auf den öffentlich-medialen Diskurs einzuwirken." Ein großes Publikum erreiche man mit Partei-Seiten aber nicht, es sei eher die eigene Klientel.

"Zackzack" mit Anti-Regierungs-Kurs

Nicht immer ist es so einfach, eine Trennlinie zwischen traditionellen Medien und jenen mit parteipolitischem Hintergrund zu ziehen, wie das Beispiel "Zackzack" zeigt. Die Online-Seite von Peter Pilz positioniere sich zwischen Boulevard und investigativem Journalismus, sagt Eberl. Eine dezidierte regierungskritische Ausrichtung wie bei "Zackzack" ist für den Medien-Experten an und für sich kein Problem. Immerhin sei auch die "Kronen Zeitung" berühmt dafür, mit ihrer Berichterstattung Kampagnen zu fahren. Wichtig seien Transparenz und journalistische Standards.

Selbsternannter gehobener Boulevard

Eine endgültige Einordnung ist auch bei "Exxpress" noch schwierig, dem neuen Online-Medium von Richard Schmitt. Der Journalist war Online-Chefredakteur bei "Oe24", davor bei der "Kronen Zeitung" und bei "Heute". Finanziert wird das Projekt von Eva Schütz. Die Unternehmerin hat im Kabinett vom ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger gearbeitet, ihr Mann ist ÖVP-Großspender. Mit "Exxpress" will Schmitt jetzt "gehobenen Boulevard" machen, die Seite habe eine "mittige" Ausrichtung und keine Polit-Präferenz, ließen die Verantwortlichen zum Start Mitte März in zahlreichen Medienberichten wissen. Wie sehr das zutrifft, wenn dort etwa eine ehemalige FPÖ-Pressesprecherin und ein ehemaliger Redakteur vom ultra-rechten "Wochenblick" schreiben, wie das "profil" berichtet hat, ist fraglich.

Eine besondere Beziehung zu Strache

Begonnen hat "Exxpress" mit der Veröffentlichung der Tonspur des Ibiza-Videos. Die Affäre begleitet Schmitt seit Anbeginn, hat sie ihn doch selbst den Job bei der "Krone" gekostet, weil Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Ibiza von Schmitt als positive Ausnahme unter Journalisten schwärmte. Später zeigten veröffentlichte Handy-Nachrichten, dass Schmitt und Strache auch darüber gesprochen haben, gemeinsam ein eigenes Medium zu gründen. Verwirklicht wurde das nie.

Die Polit-Bombe wird klein gehalten

Die bürgerliche Positionierung, die "Exxpress" jetzt für sich beansprucht, bedeutete im Fall der brisanten ÖBAG-Chats, dass die Causa vergleichsweise klein gehalten wurde. "Smileys, aber nichts Strafbares", hieß es etwa. Am Tag nach der Veröffentlichung der Affäre schrieb das Schmitt-Medium bereits darüber, "wie die Grünen Spitzenposten umfärben".

Fünf von Fünf mit ÖVP-Background

Auch ein anderes Beispiel zeigt zumindest eine gewisse Schlagseite Richtung ÖVP, wenn sie auch nicht im Impressum steht. In einem Artikel über Jugendliche in Österreich ist die Rede von einer zunehmend konservativen Werte-Haltung und einer starken "Heimatliebe". Interviewt werden dazu ausgerechnet fünf junge Erwachsene, alle bei der Jungen ÖVP – zufällig die Machtbasis von ÖVP-Parteiobmann Kanzler Sebastian Kurz. Eine "deutliche Schieflage", nennt das Jakob-Moritz Eberl von der Uni Wien. "Ob das jetzt ein Muster ist, gilt es zu beobachten. Grundsätzlich kann man sich aber wundern, was da passiert."

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