APA/ADRIANE WHITE
RSO Wien live
"1001 Nacht" im RSO-Konzert unter Marin Alsop
Das RSO unter Marin Alsop im Wiener Musikverein live in Ö1.
9. Mai 2021, 12:00
Wer sich über die langen Lockdown-Monate mit dem Anschauen von Serien hinweggerettet hat, kann ein Lied von zermürbenden Cliffhangern singen: Eine Geschichte bricht an einem besonders spannenden Punkt ab - Fortsetzung folgt. Das dramaturgische Prinzip dahinter ist alt. Sehr alt. Es rettet schon Scheherazade das Leben, als sie dem Sultan 1001 Nacht lang Geschichten erzählt und ihre Hinrichtung dadurch hinauszögert, dass der grimmige Herrscher die Fortsetzung in der kommenden Nacht zu hören begehrt.
Die Erzählungen aus "1001 Nacht", eine opulente Sammlung orientalischer Märchen, Novellen und Anekdoten, entzückt seit mehr als 1001 Jahren Erzähler/innen, Dichter/innen, Maler/innen und Musiker/innen, darunter auch Nikolai Rimski-Korsakow, der 1888 auf seiner Datscha südlich von Sankt Petersburg die Orchestersuite "Scheherazade" komponierte.
Orientalische Würze
Zwar ging es ihm vor allem um die orientalische Würze in einem romantischen Orchestermenü und nicht um die Nacherzählung der Abenteuer von Ali Baba oder Sindbad; gleichwohl beschwören die vier Sätze der Suite in ihren Titeln die populären Geschichten.
Dass Meeresszenen die Suite umrahmen, mag man auf Rimski-Korsakows Ausbildung im Seekadettenkorps Sankt Petersburg zurückführen. Wer sehnt sich beim Lesen von Märchen nicht in die Vergangenheit zurück? Zur Entstehungszeit der Suite stand der 45-jährige russische Komponist jedenfalls auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Schaffenskraft und fühlte sich nicht nur für seine eigenen Werke verantwortlich, sondern auch für die seiner Freunde Borodin und Mussorgsky, deren Opern er vollendete.
Heute zählt "Scheherazade" zu den beliebtesten Werken Rimski-Korsakows, dank eines betörenden Violinsolos, das die kluge Erzählerin verkörpert, sowie eines markigen Hauptthemas, mit dem der neugierige Sultan charakterisiert wird.
Schumann mit Rafał Blechacz
Chefdirigentin Marin Alsop und das RSO Wien wollten "Scheherazade" nicht nur im Musikverein spielen - wo es für den 11. April programmiert ist und live in Ö1 übertragen wird -, sondern anschließend auch auf eine kurze Gastspielreise nach Deutschland, Slowenien und Polen mitnehmen. Dass das Leben selbst die wendungsreichsten Geschichten schreibt, wissen wir spätestens im Jahr zwei von Corona, und so kann auch diese Tournee nicht stattfinden, während beim Verfassen dieser Zeilen immerhin das Musikvereinskonzert nicht unmöglich erscheint.
Robert Schumann, dessen vier Symphonien Marin Alsop und das RSO Wien derzeit für Naxos produzieren, ist in dem Konzertprogramm mit seinem einzigen Klavierkonzert vertreten, das ein Wiedersehen mit Rafał Blechacz bringt - einem der international besten Pianisten seiner Generation. Eröffnet wird das Konzert mit einem Werk, das das RSO Wien bei Julia Purgina in Auftrag gegeben hat.
Julia Purgina
JULIA PURGINA
Uraufführung von Julia Purgina
Die bei Erich Urbanner und Chaya Czernowin ausgebildete österreichische Musikerin hat mehrere Jahre Bratsche im Gustav Mahler Jugendorchester sowie beim RSO Wien gespielt. Ihre Karriere nahm aber zuletzt im Bereich Komposition Fahrt auf - erinnert sei etwa an die Uraufführung des Orchesterwerks "Akatalepsia" zur Eröffnung von Wien Modern 2018. Ihr neues Werk trägt den Titel "farewell, lady, farewell".
Welches Schicksal die im Titel angesprochene Dame erwartet, erfahren Sie im Programmheft zum Konzert bzw. in der Moderation von Ö1.
Text: Christoph Becher, Intendant des RSO Wien
