Gezeichnete Schuhe und Strümpfe, Ausschnitt des Buchcovers

CZERNIN VERLAG

Roman

"Die alte Johanna" von Renate Welsh

Der Roman "Johanna", erstmals erschienen 1979, zählt zu den österreichischen Jugendbuchklassikern. Die Autorin Renate Welsh schildert darin die Jugend der zunächst 13-jährigen Johanna, die als uneheliches Kind, als Magd auf einem Bauernhof arbeitet. Erzählt wird ein Kinderleben in den 1930er Jahren, vor dem Hintergrund des aufkommenden Nationalsozialismus. Jetzt hat die heute 83-jährige Autorin eine Fortsetzung geschrieben.

"Ich kann sehr gut zuhören. Das ist das einzige Talent, von dem ich ganz sicher bin, dass ich es habe", sagt Renate Welsh. Ihrer Nachbarin Johanna, die im südlichen Niederösterreich neben ihr gewohnt hat, hat sie gut zugehört und vor über 40 Jahren deren Geschichte aufgeschrieben. Vom ledigen Kind erzählt, das in den 30er Jahren bei Zieheltern groß wird, das später als Magd auf einem Bauernhof arbeitet und dem immer wieder das Recht abgesprochen wird, sich eine andere, selbstbestimmte Zukunft zu wünschen.

"Das wär' ja noch schöner, wenn eine wie du, was wollen dürfte" ...

... diesen Satz hört Johanna immer wieder. "Ich hab' diese Frau sehr bewundert, weil ich dachte, sie ist ein Beispiel dafür, dass ein Mensch mehr sein kann als die Summe dessen, was ihm wiederfahren ist", sagt Renate Welsh.

Renate Welsh

"Ich höre ununterbrochen zu - auf das, was Menschen sagen und auf das, was sie nicht sagen - gleichermaßen. Manchmal sagen sie lauter das, was sie nicht sagen." Renate Welsh im "Logos"-Gespräch

APA/HERBERT NEUBAUER

Die reale Johanna war ursprünglich skeptisch, ihr eignes Leben als Roman verarbeitet zu sehen. Noch dazu von einer Autorin, die als Tochter eines Arztes in Wien, einem ganz anderen Umfeld entstammte als sie selbst. Doch Renate Welsh konnte sie von ihrem Einfühlungsvermögen überzeugen, und nach dem Lesen des Romans, der auch eine fiktive Figur enthält, waren die Zweifel beseitigt.

Wieso hast du auch das geschrieben, was ich dir nicht gesagt hab'?

Renate Welsh-Rabady

Woran glauben Sie? - Renate Welsh im Ö1 Archiv

"Und eines Tages hat sie gesagt, 'wieso hast du auch das geschrieben, was ich dir nicht gesagt hab?' - und das war mein Ritterschlag." Die Idee zu einer Fortsetzung der Geschichte kam von Johanna selbst, die mittlerweile gestorben ist, und die als alte Frau zu Renate Welsh sagte: "Weißt, eigentlich müsserten mir einen zweiten Band schreiben. Diese Aufforderung hat in meinem Kopf weitergearbeitet und irgendwann war es soweit."

Spannende Rück-, einfühlsame Innenschau

Der erste Band endet 1936 mit der 18-jährigen Johanna. 70 Jahre später begegnet man ihr wieder als alter Frau. Acht Kinder hat sie geboren, die Enkel sind schon erwachsen. Als Zentrum ihrer eigenen Familie und des Dorfes wird sie um Rat gefragt und gewährt jenen Hilfe, die sie brauchen. Und merkt, auch wenn sie das nicht wahrhaben will, wie sie mehr und mehr selbst auf Hilfe angewiesen ist. Renate Welsh gelingt eine spannende Rückschau und eine einfühlsame Innenschau in das Leben eines alten Menschen - eine Fähigkeit, die sie sich nicht erst mit ihren 83 Jahren erworben hat.

"Manchmal denke ich, dass ich in fremden Schuhen besser gehe, als in den eigenen", Renate Welsh

Buchumschlag

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"Als ich das Buch über Konstanze Mozart geschrieben hab, da war ich ungefähr 50, und da hat mich Mira Lobe gefragt: Wie kommst du dazu so genau zu wissen, wie sich eine 80-Jährige fühlt? Ich hab sehr früh gelernt, in fremden Schuhen zu gehen, manchmal denke ich, dass ich in fremden Schuhen besser gehe, als in den eigenen."

Weil die Erinnerung der alten Johanna immer wieder auch Menschen aus ihrer Vergangenheit heraufspült, empfiehlt es sich auch den ersten "Johanna"-Band nachzulesen, den der Czernin Verlag zeitgleich mit dem neuen Buch, wiederaufgelegt hat. Ausgewiesene Jugendbücher sind beide nicht, denn nichts mag Renate Welsh so wenig wie Etikettierungen.

"Bücher sind Bücher"

"Bücher sind Bücher - nicht zielgerecht, marktgerecht oder sonst wie gerecht, sondern Bücher sind ein Versucht, denen gerecht zu werden, von denen sie erzählen." Dass ihr das gelungen ist, kann man sowohl in der alten jungen "Johanna", als auch in der neuen alten Johanna nachlesen.

Service

Renate Welsh, "Die alte Johanna", Roman, Czernin. Zeitgleich mit der Neuerscheinung hat der Verlag "Johanna", den ersten Teil, wieder aufgelegt.

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