Sockel der Sopie-Scholl-Büste mit weißen Rosen

AP/FRANK BOXLER

Zum 100. Geburtstag

Sophie Scholl - Ikone des Widerstands

"Einer muss ja doch schließlich damit anfangen. Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele. Nur wagen sie nicht, es auszusprechen." Die Entschlossenheit der Worte der damals 21-jährigen Studentin, geäußert im Verhör im Februar 1943, beeindruckt nicht nur mich bis heute.

Aber dass Worte allein nicht genügen, dass es auf Taten ankommt: Dieser Gedanke aus dem Jakobusbrief im Neuen oder Zweiten Testament der Bibel ("Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein") war Sophie Scholls Maxime.

Zwar war ihr drei Jahre älterer Bruder Hans direkter an den Entwürfen der Flugblätter der Weißen Rose beteiligt, aber sie war mit Sicherheit mehr als nur "die kleine Schwester". Ihr kommt, dargestellt von Lena Stolze, schon in Michael Verhoevens Film "Die weiße Rose" aus 1982 eine Hauptrolle zu, in "Sophie Scholl - Die letzten Tage" aus 2005 steht sie schließlich, gespielt von Julia Jentsch, ganz im Mittelpunkt.

Seid aber Täter des Worts
und nicht Hörer allein

Sophie Scholl

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Sophie Scholl

Ikonisch ist auch ihre burschikose Frisur. Diese war jedoch nicht einfach, wie das heutige Jugendliche nennen würden, stylish, sondern auch ein politisches Statement: Vom NS-Staat erwünscht waren Mädchen mit Zöpfen. Mut und Kreativität bewies sie, als ihr Vater wegen "defätistischer" Äußerungen Ende 1942 mehrere Monate im Gefängnis war: Mehrfach spielte sie in der Nähe auf der Flöte "Die Gedanken sind frei".

Fritz Hartnagel

Welch starke Persönlichkeit sie war, ergibt sich auch aus einer Äußerung Fritz Hartnagels. In ihn, den um vier Jahre Älteren, hatte sie sich mit 16 Jahren verliebt. Auch als er die Offizierslaufbahn einschlug, hielt diese Beziehung, von der man sich im 2005 publizierten "Damit wir uns nicht verlieren. Briefwechsel 1937-1943" ein anschauliches Bild machen kann. Hartnagel schrieb 1943, wenige Monate nach ihrer Hinrichtung: "Wo wäre ich heute, wenn Sophie sich von mir hätte leiten lassen, und ich schäme mich nicht, dass es ein junges Mädchen war, das mich fast vollkommen gewendet hat."

Sophie Scholl war bereit, die Konsequenzen ihrer Überzeugungen zu tragen, und starb als Märtyrerin. Ist es dann nicht naheliegend, sie als Heilige zu betrachten? Dem deutsch-russischen Mitglied der Weißen Rose, Alexander Schmorell, neben Hans Scholl der Hauptverfasser der Flugblätter, wurde dieser Status zuteil: Er gilt der orthodoxen Kirche als Heiliger.

Wie schwer ein Menschenleben wiegt

Nun waren zwar das älteste Mitglied der Weißen Rose, der Philosophieprofessor Kurt Huber, und Willi Graf katholisch (wie auch Georges Bernanos, dessen "Tagebuch eines Landpfarrers" für die Gruppe wichtig wurde); Hans und Sophie Scholl aber waren lutherisch getauft und geprägt. Da es so etwas wie Heiligenverehrung bei Evangelischen nicht gibt, können sie immerhin als Vorbild gelten, als Beispiel für ein in Ernsthaftigkeit gelebtes Christentum. Damit hat Sophie Scholl es sich aber nie leicht gemacht: Ihr Ringen um eine tiefe Gottesbeziehung und die Bedeutung, die Augustinus für sie hatte, erinnern an Martin Luther.

Das Foto von Sophie Scholl, das ich am meisten mag, findet sich nun auch auf dem Cover der im Vorjahr erschienenen Biografie "Wie schwer ein Menschenleben wiegt: Sophie Scholl" von Maren Gottschalk. Die Aufnahme wurde von ihrem Bruder Werner beim Baden an der Iller gemacht: Der Blick, mit dem sie unter ihrer jungenhaften, nach links gescheitelten Frisur hervorschaut, ist nicht einfach der eines 17-jährigen Mädchens, sondern der eines zutiefst glücklichen Menschen.


Text: Roland Kadan, Lehrer und Autor, zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u. a. Aspekte des gewaltlosen Widerstands