Ausschnitt des Buchumschlags

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"Schwarze Schwäne"

Gasdanows Erzählungen aus dem Exil

Gaito Gasdanow gilt als einer der wegweisenden russischen Exildichter des frühen 20. Jahrhunderts. Unverkennbar in Sprache und Stil, schildert er in seinen Texten vor allem das Leben im "russischen Paris" der 1920er und -30er Jahre, in dem er selbst als 20-Jähriger gestrandet ist.

Wie elegant und abgeklärt man über Kriegstraumata, Fremdsein, Heimweh und zerstörte Lebensträume schreiben kann, zeigt auch der neue Erzählband "Schwarze Schwäne", in dem die Gasdanow-Übersetzerin Rosemarie Tietze neun außergewöhnliche Erzählungen des Dichters erstmals auf Deutsch präsentiert.

Unverkennbar Gasdanow

Wer einmal einen Text von Gaito Gasdanow gelesen hat, wird ihn immer wieder erkennen, in seiner schlanken sprachlichen Erhabenheit, mit der er bar jeder Gefühlsregung Leben und Tod, Gewalt, Verbrechen und existenzielle Not verhandelt.

"Schon als ich begonnen habe, Gasdanow auf Russisch zu lesen, hat mich vollkommen hingerissen, wie er schreibt", sagt die Übersetzerin Rosemarie Tietze, die den vorliegenden Erzählband zusammengestellt, übersetzt und mit einem aufschlussreichen Nachwort versehen hat.

Kriegstrauma lebenslänglich im Gepäck

1903 geboren, wurde Gasdanow - wie seine Ich-Erzähler und viele andere Figuren - als 16-Jähriger eingezogen und diente im russischen Bürgerkrieg als einfacher Soldat in der Weißen Armee, wo er aus nächster Nähe intensiv mit dem Tod konfrontiert war.

"Diesen Dialog mit dem Tod spürt man immer bei ihm", sagt Rosemarie Tietze. "Gleichzeitig ist es nichts Bedrohliches, sondern er ist geradezu tröstlich aufgehoben in dieser Sprachkunst."

Verschrobene Charaktere auf verschlungenen Pfaden

Auch die weiteren Lebensstationen teilte Gasdanow in zahlreichen Variationen mit seinen Charakteren: Den Aufenthalt im türkischen Internierungslager nach dem Sieg der Bolschewiken, den Besuch eines Gymnasiums in Bulgarien und schließlich das Pariser Exil, in dem sich der 20-Jährige aussichts-, mittel- und obdachlos durchschlug. Allerdings, so Rosemarie Tietze: "Er stützt sich zwar auf Dinge, die er erlebte. Aber was er dann literarisch macht, ist Erfindung. Da kann man die Biografie nur noch im Hintergrund sehen."

Es sei eine Art Grundsteuerung, so Tietze, mittels derer Gasdanow elegant auf dem Fahrwasser der Erzählungen dahingleitet und dabei den außergewöhnlichsten Charakteren begegnet - allesamt exilierte russische Intellektuelle, die im Paris der 20er Jahre zwischen Zwölf-Stunden-Schichten in der Fabrik und Philosophiestudium, Botendiensten und Wirtshausbesäufnissen, traumatischen Kriegserinnerungen und Literaturzirkel gondeln.

Buchumschlag

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Das russische Paris der Zwischenkriegszeit

"Gegen Mitte der 20er Jahre hat sich das kulturelle Zentrum der Exilrussen von Berlin nach Paris verlagert. Die Erzählungen spielen alle im Umkreis der russischen Kultur in Paris und dieser Atmosphäre dort", erklärt Tietze die Auswahl der Texte.

Die Übersetzerin orientierte sich dabei an der russischen Gesamtausgabe mit rund 50 Erzählungen. Heute zählt Gaito Gasdanow zu den wichtigsten russischen Exil-Literaten des frühen 20. Jahrhunderts. Zu Lebzeiten allerdings nahmen sich sein Ruhm und vor allem sein Einkommen denkbar bescheiden aus: "Er musste Taxi fahren, bis er mit 50 Jahren eine Stelle als Redakteur bekam", so Tietze.

Späte Entdeckung und Wiederentdeckung

Und auch seine Bekanntheit, zumal in Russland, habe erst spät eingesetzte: "Erst in den 90er Jahren, also lange Zeit nach seinem Tod, kamen seine Werke dort an. Mir haben Gasdanow-Forscher erzählt, wie sie vorher auf abenteuerlichen Wegen durch Zufall auf seine Werke gestoßen sind, zum Beispiel auf einem Trödelmarkt irgendwo im Baltikum."

Nun allerdings ist Gasdanow, vor allem in den letzten Jahren, gebührend entdeckt und wiederentdeckt worden. Regelmäßig erschienen Werke von ihm auch auf Deutsch. Was sie abseits der Sprache noch immer so interessant mache, sei die Art, wie er die Traumata der Exilierten behandelt, ist Rosemarie Tietze überzeugt. Und tatsächlich strahlt Gasdanows abgeklärte, ja fast existenzialistische Zugangsweise zu den "Unannehmlichkeiten des Lebens", wie er sie öfter bezeichnet, eine seltene Faszination aus.

Service

Gaito Gasdanow,"Schwarze Schwäne", Erzählungen, aus dem Russischen von Rosemarie Tietze, Hanser. Originaltitel: "Чёрные лебеди"

Wikipedia - Gaito Gasdanow

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