Fernando Pereira / Anefo - NATIONAAL ARCHIEF - (CC BY-SA 3.0 NL)
Neue Musik im Härtetest
Luigi Nono - "Fragmente - Stille. An Diotima"
Luigi Nonos "Fragmente - Stille. An Diotima" hat das das musikalische Denken in Europa nachhaltig beeinflusst. Es wirkt wie eine Kette von Klanginseln, gespielt mit extremen Spieltechniken und unter Verwendung von Mikrointervallen. Es zählt zu den meistdiskutierten Werken des Genres.
12. Mai 2021, 11:30
Für die Hörer/innen ist es eine extreme Hörerfahrung an der Grenze zur Stille. Nonos Quartett-Ideen hatten Zeit zu reifen: Zunächst gibt es in seinem Oevre keine Kammermusik. 25 Jahre nach der ersten Anfrage durch das La Salle Quartett hat er schließlich dieses Werk fertiggestellt.
Nono schreibt "Fragmente - Stille. An Diotima" zwischen 1979 und 1980 als Auftragswerk für das 30. Beethovenfest in Bonn. Auffallend sind punktuelle, klar voneinander abgesetzte Klangereignisse: Das Quartett besteht aus ebenso vielen Klängen wie Pausen. Ein linearer Ablauf ist kaum auszumachen, das Werk präsentiert sich nach allen Seiten hin offen.
"Ich will die große, aufrührerische Aussage mit kleinsten Mitteln."
Die Länge der Pausen zwischen den kurzen Teilen ist nicht festgelegt. Jede Aufführung bringt also eine neue Lesart. Fragmente und Stille müssen hörend entdeckt werden. Eine Abkehr von Nonos politisch engagierter Musikkonzeption? Der Komponist verneint: "Ich habe mich keineswegs verändert. Ich will die große, aufrührerische Aussage mit kleinsten Mitteln."
Die Klien-Brüder über "Fragmente - Stille. An Diotima"
Nicht politische Texte (wie bei Nono üblich), sondern Gedicht-Fragmente liegen der Komposition zugrunde: "...aus dem Äther…" und "…geheimere Welt…" sind nur zwei von insgesamt 47 kurzen Zitaten aus Hölderlin-Gedichten, die der Komponist in die Partitur schreibt. Zwölf davon sind Hölderlins Gedicht "Diotima" entnommen, immer wieder kehrt auch das Beethoven-Zitat "mit innigster Empfindung" wieder. Nono nennt diese Wortfetzen "schweigende Gesänge aus anderen Räumen, aus anderen Himmeln, um auf andere Weise die Hoffnung nicht fahren zu lassen". Die literarischen Zitate sind als Inspiration für die Spielenden gedacht, nicht als Orientierungshilfe für das Publikum.
Luigi Nono wird 1924 in Venedig geboren. Mit 17 Jahren beginnt er am Konservatorium zu studieren. Auf Wunsch seines Vaters absolviert er ein Studium der Rechtswissenschaften in Padua, es zieht ihn aber zurück zur Musik. Erste Werke werden bei den Internationalen Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt vorgestellt, viele in Deutschland uraufgeführt. Nonos Arbeiten sind gegenwartsbezogen und politisch vom Kommunismus geprägt, musikalische Manifeste gegen Unterdrückung, Krieg und soziale Missstände. Nono komponiert auf Basis des seriellen Denkens, ist aber auch ein Vorreiter der elektronischen Musik. In seinem Spätwerk widmet er sich vorrangig Werken in kammermusikalischer Besetzung. Luigi Nono stirbt 1990 in Venedig.
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