Szene aus "The Queen's Gambit"

NETFLIX/PHIL BRAY

Walter Tevis

"Das Damengambit" und sein vergessener Autor

Die Netflix-Serie "Das Damengambit" gewann zwei Golden Globes, brach internationale Quotenrekorde und sorgte für eine weltweite Schacheuphorie. Kaum jemand kennt jedoch den Namen Walter Tevis, dessen 1983 erschienener Roman über ein junges Mädchen, das zur Schachgroßmeisterin aufsteigt, Vorlage für die Verfilmung war. Jetzt erscheint "Das Damengambit" erstmals in deutscher Übersetzung.

Als die achtjährige Beth Harmon auf tragische Weise ihre Eltern verliert und ins Waisenhaus kommt, findet sie Trost in Beruhigungsmitteln und im Schachspiel.

Szene aus "The Queen's Gambit"

Das Damengambit, Produktionsfoto

NETFLIX/PHIL BRAY

Schach gegen die Angst

Die Vorlage für seine Geschichte fand Walter Tevis in seinem eigenen Leben. 1928 in San Francisco geboren, schoben ihn seine Eltern wegen seiner schweren gesundheitlichen Probleme ins Heim ab.

"Ich glaube, dass viele Menschen aus Persönlichkeitsproblemen heraus beginnen, ernsthaft Schach zu spielen", sagte Walter Tevis 1983 und damit im Jahr des Erscheinens von "The Queen’s Gambit" in einem Interview. Und dann kam er ganz offen auf die autobiografischen Bezüge seines Romans zu sprechen: "Bei mir war es auch so. Ich habe mich von meinen Ängsten befreit, indem ich mich in die Sicherheit, die Schach mir bot, zurückgezogen habe."

Romane für die Leinwand

Seine großen Erfolge hatte Walter Tevis lange zuvor gefeiert. Mit dem Roman "The Hustler", der unter dem Titel "Haie der Großstadt" mit Paul Newman in der Hauptrolle verfilmt wurde und mit "The Man Who Fell To Earth", der es mit David Bowie als Außerirdischem auf die Kinoleinwand schaffte.

Danach kamen siebzehn Jahre, in denen Walter Tevis trank und Schach spielte. Jedes Mal aufs Neue fasziniert von der elektrisierenden Atmosphäre, die bei den Wettbewerben herrschte: "Auf Schachturnieren, auch wenn sie nur in irgendwelchen Schulen, oder in drittklassigen Hotels stattfanden, habe ich mehr Spannung und Aggressivität gespürt als bei jedem anderen Wettbewerb und ich habe in meinem Leben viel Zeit in Billardsalons oder Wettbüros verbracht. Diese Intensität und Bösartigkeit wie ich sie bei manchen Schachspielern beobachtet habe, habe ich dort aber nie erlebt."

Wahre Züge

Während die TV-Serie, um keine Fehler zu machen, den früheren Schach-Weltmeister Garri Kasparow als Berater und eine deutsche Schachgroßmeisterin als Hand-Double engagierte, griff Walter Tevis für seinen Roman auf seine eigenen Erfahrungen und historische Schachpartien zurück: "Ich nahm Spiele von Großmeistern wie Aljechin, Capablanca und anderen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert."

Früher Tod

Walter Tevis starb bereits ein Jahr nach Erscheinen von "The Queen's Gambit" an Lungenkrebs, bis zur Verfilmung seines Romans sollte es danach fast vierzig Jahre dauern. Offensichtlich waren die Bedenken zu groß, dass sich die prickelnde, aber bewegungsarme Spannung des Schachspiels auf die Leinwand übertragen ließ. Bedenken, die Walter Tevis nicht teilte: "Man zeigt eine Hand, die eine Schachfigur aufs Brett knallt, und die Reaktion auf den Zug im Gesicht des Gegners, und damit hat man alles gezeigt, worauf es ankommt."

Im Schach-Sound

Natürlich sieht man die großen runden Augen mit dem stechenden Blick von Beth Harmon-Darstellerin Anya Taylor-Joy vor sich, wenn man "Das Damengambit" liest, und trotzdem ist es ein ganz neues Vergnügen, die Geschichte von Walter Tevis erzählt zu bekommen. Im elektrisierenden Tonfall, den das Schachspiel vorgibt, und den Übersetzer Gerhard Meier wunderbar ins Deutsche übertragen hat.

Service

Walter Tevis, "Das Damengambit", Roman, aus dem Amerikanischen von Gerhard Meier, Diogenes
Originaltitel: "The Queen's Gambit"

Wikipedia - Walter Tevis

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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