Alexander Wrabetz

APA/GEORG HOCHMUTH

Wahl des ORF-Generaldirektors

Eine Mehrheit und (k)ein Befehl

Am 10. August wählt der ORF-Stiftungsrat einen neuen Generaldirektor, der amtierende ORF-Chef Alexander Wrabetz tritt noch einmal an, sonst lässt sich keiner in die Karten schauen. Das hat diesmal auch einen ganz speziellen Grund. Denn im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss geht es um Posten-Besetzungen bei den Casinos und der ÖBAG, die Justiz ermittelt in dem Zusammenhang. Der ÖVP-Freundeskreis hat im Stiftungsrat auf dem Papier eine klare Mehrheit. Unter normalen Umständen würde die Kanzlerpartei diese Mehrheit nutzen, aber die Umstände sind nicht normal.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat vor allem die ÖVP im Visier, und bei der Kanzlerpartei liegen die Nerven blank. Wenn man dort recherchiert und nach personellen Vorstellungen für den ORF fragt, dann hört man auch Sätze wie diese: "Konfrontieren Sie mich nicht mit strafrechtlichen Vorhalten, die es nicht gibt." Dabei agiert die Politik natürlich im Hintergrund, das war immer so. Formell entscheidet der Stiftungsrat - sozusagen der Aufsichtsrat des ORF - über die neue Führung, aber der existiert eben nicht im luftleeren Raum. Derzeit ist die ÖVP im Stiftungsrat so stark vertreten wie nie zuvor. Und das treibt auch Blüten im Programmangebot.

Der Livestream im politischen Minenfeld

Wenn etwa der TVthek-Chef den Livestream einer Veranstaltung der Jungen ÖVP mit Auftritt von Sebastian Kurz anordnet, entmachtet Alexander Wrabetz den Verantwortlichen im Vorübergehen und hat damit Leadership und Unabhängigkeit von Parteien demonstriert, obwohl er - der ja auch Informationsdirektor ist - da vielleicht schon früher einschreiten hätte müssen. Eine "ZIB Spezial" im Hauptabend mit Kanzler-Interview in Überlänge ohne besonderen Anlass redet Wrabetz mit einer launigen Übetreibung weg: "ORF-Vorwahlzeiten sind immer Zeiten, wo selbst hinter dem Wetterbericht eine Anregung des Generaldirektors vermutet wird." Es ist ein politisches Minenfeld, doch der amtierende ORF-Chef versteht es meisterlich, sich darin zu bewegen.

Wieder-Kandidat Wrabetz in seinem Element

Und Wrabetz kann Mehrheiten für sich organisieren. Der Medienexperte Peter Plaikner sagt: "Allein die Tatsache, dass Alexander Wrabetz bei der Wahl des Generaldirektors wieder antritt, bedeutet für mich, dass er sich seiner Sache sehr sicher ist." Wrabetz geht dabei gern über die Länder-Schiene, neun der 35 Stiftungsräte kommen von dort, sechs davon sind im ÖVP-Freundeskreis und allenfalls wahlentscheidend. Plaikner berichtet von Gesprächen, die der ORF-Chef in den Ländern geführt habe. "Das deutet darauf hin, dass er mit Landeshauptleuten und Stiftungsräten gesprochen hat. Es geht ja um ein Paket, das er der ÖVP-Mehrheit im Stiftungsrat anbieten kann."

Rückschlag für ÖVP-Strategen über Tiroler Bande

16 Stiftungsräte zählen zur ÖVP-Fraktion, dazu kommen drei bis vier Unabhängige, die der Kanzlerpartei zugerechnet werden. Eine nie dagewesene Mehrheit für die ÖVP, aber keine g'mahte Wiesn für Kurz und sein Umfeld, wie auch Jürgen Hofer vom Branchenmagazin Horizont sagt: "Dass es diese Mehrheit gibt, heißt nicht automatisch, dass jemand aus dem Kurz-Lager ORF-Generaldirektor wird." Einen ersten Rückschlag für die Strategen im Kanzleramt, die die ÖVP-Mehrheit für - sagen wir einmal - frischen Wind an der ORF-Spitze nutzen wollen, hat es schon gegeben.

Bombe mit dem Label "Thomas Schmid des ORF"

Die "Tiroler Tageszeitung" hat Anfang Mai berichtet, dass die Emissäre des Kanzlers schon unterwegs seien, um für Roland Weißmann als neuen Generaldirektor zu werben. Weißmann, stellvertretender kaufmännischer Direktor und für ein 400-Millionen-TV-Budget zuständig, wäre der Favorit der Kurz-ÖVP, steckten Informanten der Zeitung und lieferten gleich ein Label mit: Das wäre der "Thomas Schmid des ORF", wenn die Kanzlerpartei damit durchkäme. Eine Punzierung, der etwa Barbara Toth von der Wochenzeitung "Falter" widerspricht.

Dennoch: der wunde Punkt war getroffen, der Bericht hat wie eine Bombe eingeschlagen. Am Tag darauf gab Alexander Wrabetz seine erwartete Wiederkandidatur offiziell bekannt.

Alternativ-Kandidaten halten sich bedeckt

"Einer ist losgelaufen, die anderen warten noch in den Startblöcken", wundert sich Harald Fidler vom "Standard" über diese "interessante Wahl". Tatsächlich will weder Roland Weißmann etwas sagen, noch trauen sich andere kolportierte Kandidaten hervor. Die Bewerbungsfrist beginnt Ende Juni und läuft dann bis wenige Tage vor der Wahl am 10. August. Die Zeit für ernstzunehmende Gegenkandidaten oder -kandidatinnen werde knapp, sagt Medienexperte Peter Plaikner. Auch weil oft Verträge einzuhalten sind und die Leute nicht so schnell wechseln können.

Der diskrete Charme von A1-Chef Arnoldner

Ein bekannter Telekom-Manager hätte dieses Problem nicht, sein Vertrag läuft praktischerweise im September aus - und die ÖVP hat nach hochrangigen doublecheck-Informationen ein Auge auf ihn geworfen: A1-Chef Thomas Arnoldner, der noch dazu fest im Gefüge der Kurz-ÖVP verankert ist. Arnoldner kommt aus der Jungen ÖVP, seine Frau ist Landesgeschäfts-führerin der ÖVP Wien.

Plaikner sieht Arnoldner als Favoriten der Kurz-ÖVP, falls diese es drauf ankommen lassen und Wrabetz aushebeln wolle. Es könne aber auch sein, dass der ORF-Chef der Kanzlerpartei schon ein gutes Angebot gemacht habe. Dazu kommt, dass der A1-Chef nach Angaben des Unternehmens zumindest offiziell ausschließt, sich für den ORF-Chefposten zu bewerben. Der Mangel an einer geeigneten Alternative und die Angst vor Postenschacher-Vorwürfen, das könnte die ÖVP tatsächlich bremsen.

Grüne rechnen nicht mit Alleingang der ÖVP

Lothar Lockl, Sprecher der Grünen Stiftungsräte, nimmt auf diese Rahmenbedingungen Bezug: "Die aktuelle innenpolitische Situation könnte für die ORF-Wahl ein Vorteil sein, die Chance auf eine möglichst optimale Lösung für das Unternehmen ist dadurch gewachsen." Lockl meint damit, dass es eben nicht zu einem ÖVP-Alleingang mit knapper Mehrheit kommen sollte. Er hofft auf breiten Konsens.

Aus ÖBAG lernen und transparent bestellen

Der Sprecher des SPÖ-Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat, Heinz Lederer, drückt es noch deutlicher aus: Der ORF dürfe nicht die ÖBAG werden, indem dem Unternehmen durch künftige Diskussionen über die Vorgangsweise bei den Postenbesetzungen Schaden zugefügt werde. "Ich würde größtes Misstrauen haben, wenn sich dann zwei Tage vor Ende der Bewerbungsfrist Kandidaten melden." Transparenz sei entscheidend, siehe ÖBAG: "Dort wird auch schon der Aufsichtsrat und dessen Vorsitz in Mitleidenschaft gezogen", warnt Lederer.

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