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Neuübersetzung
Célines Roman "Tod auf Raten"
Louis-Ferdinand Céline gehört zu den problematischsten Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts. Als Verfasser antisemitischer Hetzschriften hat er während der deutschen Besatzung von Paris mit den Nazis kollaboriert, gleichzeitig ist die literarische Bedeutung des Verfassers von "Reise ans Ende der Nacht" unbestritten. Jetzt erscheint Célines zweiter Roman in Neuübersetzung. Statt bisher "Tod auf Kredit" heißt er jetzt "Tod auf Raten".
29. Juli 2021, 02:00
"Ein radikal transformierendes Schreiben" - Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel im Gespräch mit Wolfgang Popp:
Ein Armenarzt, der gleichzeitig Romane schreibt, ist der Ich-Erzähler in "Tod auf Raten". In seinen Erinnerungen blickt er zurück auf seine Kindheit, zum Vater, der wegen jeder Kleinigkeit in Wut geriet, auf seine Internatszeit in London, und sein zielloses jugendliches Herumirren.
Durchsetzt ist all das von Hasstiraden, die sich gegen Gott und die Welt und nicht zuletzt gegen sich selbst richten. Ich fühlte mich völlig unwürdig, eitrig, anrüchig, heißt es an einer Stelle. "Das ist wahrscheinlich ein Phänomen, das die Weltsicht von Céline überhaupt klar macht", so der Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel. "Nicht einmal das Ich ist anders als die anderen, die alle nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind, und nur Sex und Geld und Wurst im Sinn haben, und dafür die Nachbarn verraten."
Rassistischer Furor
Hinrich Schmidt-Henkel hat 2003 bereits Célines Debütroman "Reise ans Ende der Nacht" ins Deutsche übertragen. Jetzt legt er den knapp neunhundert Seiten starken zweiten Roman Célines vor, dem er den neuen Titel "Tod auf Raten" gegeben hat. Erschienen ist er ursprünglich 1936 und damit ein Jahr vor der ersten antisemitischen Hetzschrift Destouches, wie Céline mit bürgerlichem Namen hieß.
Kommen die rassistischen Ausfälle bereits im Roman vor? "Das gibt es darin", so Schmidt-Henkel, "es hat aber noch keine solche Übermacht, dass man auch nur ahnen könnte, dass kurz danach die Hetzschriften herauskommen."
Widerwärtigkeiten wiedergeben
Von Célines erster Hetzschrift waren die Nazis so angetan, dass sie sie unter dem Titel "Die Judenverschwörung in Frankreich" umgehend ins Deutsche übersetzten. Heute problematische Begriffe gab es aber bereits in "Tod auf Raten". Muss man da als Übersetzer mildern oder beschönigen? "Nein!", so die klare Antwort Schmidt-Henkels. "Natürlich muss ich die Wortwahl eines solchen Autors, auch und gerade da, wo sie widerwärtig ist, abbilden."
Célines Widerwärtigkeiten reichten bis zur Kollaboration mit den Nazis, doch war er ein Opportunist, der sich nicht vereinnahmen ließ, so Schmidt-Henkel: "Er hat in der Residenz des deutschen Botschafters Hitler als den ‚Oberjuden‘ bezeichnet, während der deutschen Okkupation von Paris."
Der innere Kampf
Die kraftvolle Prosa von "Tod auf Raten" hat Hinrich Schmidt-Henkel mit unglaublichem sprachmusikalischen Gefühl übertragen und so reißt sie auch im Deutschen von der ersten Seite an mit, das Unbehagen, bedingt durch das Wissen um Célines Biografie, ist dabei aber Dauerbegleiter.
Als Übersetzer kriecht man noch viel intensiver hinein in die Sprache. Wie geht man da mit dieser Ambivalenz um? "Man kann den Autor nicht vom Werk trennen, darf es auch nicht", so Hinrich Schmidt-Henkel. "Da irgendwie apologetisch zu sagen, wie es in Frankreich auch lange der Fall war: 'ja, aber er ist doch einer unserer größten Stilisten, man darf ihm das nicht zum Vorwurf machen.' Doch! Muss man! Aber ich glaube, der Hauptort, an dem das auszutragen ist, ist nicht der Autor, sondern der Hauptort, an dem das auszutragen ist, ist in einem selbst. Also diesen Widerspruch zwischen den beiden, dass man den aushält."
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Satzgewitter
Célines literarische Bedeutung liegt nicht zuletzt in dem treibenden Rhythmus seiner Sprache, die beinahe Sprechgesang ist, fast komponiert soll Céline seine Texte haben, was sie spielen mussten, war ihre "petite musique", ihre kleine Musik. "Damit meint Céline diese ganz besondere rhythmische, klangliche und dadurch emotionale Wirkung", so Schmidt-Henkel, "und die versucht er mit diesem Ellipsengewitter herzustellen, das er loslässt, mit den drei Punkten und den Satzfetzen dazwischen."
Franz Schuh hat über "Tod auf Raten" geschrieben, es gehöre wie auch Célines Erstling "Reise ans Ende der Nacht" zu den besten Büchern, die auf dieser Welt jemals geschrieben worden sind. Tatsächlich ist es kaum möglich, sich der emotionalen Wucht dieser Prosa zu entziehen, genauso wenig wie der Frage, wie ein ewig Gestriger diese Literatur von morgen schreiben konnte?
Service
Louis-Ferdinand Céline, "Tod auf Raten", Roman, neu übersetzt von Übersetzt von: Hinrich Schmidt-Henkel, Rowohlt
Die Originalausgabe erschien 1952 unter dem Titel "Mort à crédit", bei Éditions Gallimard, Paris.
Gestaltung
- Wolfgang Popp