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Sisi und Mundl als Kunstwerk in der Blockchain

Mit NFTs oder non-fungible tokens hält das Original Einzug in die Digitalkunst. Diese Entwicklung hat den Kunstmarkt in den letzten Monaten in Aufregung versetzt.

Neben Kryptowährungen wie Bitcoin, hat die Blockchain-Technologie noch etwas gebracht: einen neuen Schub in der Digitalkunst und in diesem Bereich die Rückkehr zum verifizierbaren Original. Denn dank Blockchain-Technologie ist es möglich, dass auch virtuelle Kunstwerke einmalig und signiert sind und der oder die Urheber/in eindeutig festgeschrieben ist.

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Das geht, indem diese Kunstwerke als NFTs oder Non-fungible-Tokens in die Blockchain geladen werden, ein NFT ist ein virtuelles Gut, das einmalig und nicht austauschbar ist (im Gegensatz zu Coins, die nicht einmalig sind). Es ist gewissermaßen ein virtuelles Sammlerstück, das anhand eines Zertifikats verkauft oder getauscht werden kann. NFTs können Kunstwerke oder Musikstücke sein, oder Gegenstände in Videospielen. Das System basiert wie Kryptowährungen auf der Blockchain-Technologie. Die meisten NFTs sind Teil der Ethereum-Blockchain, es gibt aber auch die Möglichkeiten NFTs in anderen Blockchains zu speichern.

Digitale Kunst mit Meme-Ästhetik

Vor allem die Kunstwelt haben NFTs in den letzten Monaten in Aufruhr versetzt. Nicht zuletzt, weil im März beim Auktionshaus Christies das dort erste rein virtuelle Kunstwerk um einen Preis von 70 Millionen Dollar versteigert worden ist. „Bei NFTs handelt es sich um digitale Kunst, und die digitale Kunst gibt es ja schon seit den Sechziger Jahren“, sagt die Münchner Kunsthistorikerin Annette Doms „Das Revolutionäre daran ist, dass ein digitales Kunstwerk unikatisiert werden kann. Also fälschungssicher als Unikat in den Markt gelangt und dadurch als Sammlerstück auch erworben werden kann und diese Entwicklung, dieser ganze Hype und vor allem diese enorme Versteigerung der Beeple-Arbeit bei Christies hat natürlich die Kunstwelt wachgerüttelt.“

"Wir haben es mit einer neuen Ästhetik und Bildsprache zu tun, die auch einer neuen Generation entspricht.“

Dreizehneinhalb Jahre lang hat der Künstler Beeple, mit bürgerlichem Namen Mike Winkelmann, jeden Tag ein digitales Kunstwerk in einem 3D-Zeichenprogramm gestaltet und online gestellt. Die Werke der ersten 5000 Tage dieses Kunstprojekts wurden gesammelt als NFTs beim Auktionshaus Christies versteigert – als erstes reines online Kunstwerk. Ein Investor aus Singapur, im Netz bekannt als MetaKovan, bezahlte 70 Millionen Dollar dafür.

Die Arbeit von Beeple erinnert stark an eine Internet- und Meme Ästhetik, wo ein Astronaut zwischen Köpfen des Toy-Story-Astronauten Buzz Lightyear herumstiefelt oder Baby-Yoda aus dem neuen Star-Wars-Film über Sturmtruppen herfliegt. Alles gestaltet mit kitschigen Farbverläufen und in Computeranimations-Ästhetik. „Wir haben es mit einer neuen Ästhetik und Bildsprache zu tun, die wiederum auch einer neuen Generation entspricht“, sagt Annette Doms dazu.

Sisi und Mundl in der Blockchain

Auch junge Digitalkünstler/innen in Wien haben NFTs für sich entdeckt. Am bekanntesten sind die CryptoWiener, ein Kunstkollektiv, dessen Mitglieder berühmte Wiener Figuren im Pixelstil darstellen: „Das war immer das Problem: wie verkaufen wir digitalen Künstler unsere Kunstwerke als Originale, weil sie ja sowieso immer kopierbar sind im digitalen Raum“, sagt Julia Staudach die unter dem Künstlernamen Tschuuuly bei den Cryptowienern dabei ist. Staudach hat Digitalkunst an der Universität für angewandte Kunst studiert und 2009 bei Peter Weibel abgeschlossen. Sie erzählt, dass es damals überhaupt nicht klar war, wie man die eigene Kunst verkaufen soll, weil digitale Kunstwerke ja beliebig vervielfältigbar sind und es bis vor kurzem kein bzw. ein nur aufwändig nachweisbares Original gab. „Dieses Problem ist super gelöst mit den NFTs. Diese ganze Fragen nach dem Original stellen sich jetzt gar nicht mehr.“

"Das ist vergleichbar, wie wenn man eine Münze prägt."

 Tschuuuly und Nissla

Tschuuuly und Nissla

ORF/IRMI WUTSCHER

Wenn man etwas als NFT in die Blockchain hochlädt, dann nennt man das minten, erklärt Bernhard Nessler/Künstlername Nissla vom Kunstkollektiv CryptoWiener: "Minten bedeutet ein item auf der Blockchain abzusichern, eben ein NFT hochzuladen. Das ist vergleichbar, wie wenn man eine Münze prägt. Das ist dann quasi für die Ewigkeit in der Blockchain gespeichert. Digitale Files waren bis jetzt ja relativ wertlos, weil sie leicht zu vervielfältigen sind. Und das Problem ist eben durch den NFT Standard auf der Blockchain behoben worden, sodass digitale Files jetzt wirklich Unikate darstellen und besitzbar und handelbar werden."

Auf der Webseite der CryptoWiener finden sich Pixelporträts von Sisi und Franzl, genauso wie von Protagonist/innen der Donauinsel-Alltagsgeschichten oder der Mundl. Jedes Porträt besteht aus 32 Mal 32 Pixeln. "Jeder Wiener und jede Wienerin ist ein absolutes Unikat", sagt Staudach. "Da steckt wahnsinnig viel Liebe drin - das dauert mehrere Tage und Feedbackschleifen bis die feingeschliffen sind und fertig zum minten."

Kaufen oder Screenshot?

Open Sea ist derzeit die größte Handelsplattform im Netz für NFTs, hier kann man auch die CryptoWiener erwerben. Die meisten wurden mit dem Preis von 1,5 Ether eingestellt, sagen Tschuuuly und Nissla. Manche, wie zum Beispiel ein Krocha, sind von den Wiederverkäufern allerdings wesentlich höher bepreist: 32 Ether, das wären Stand Mitte Juli 54.000 Euro.

Allerdings: Ich kann mir auch ein T-Shirt oder eine Tasse mit einem CryptoWiener um 30 Euro auf der CryptoWiener Website kaufen. „Man kann sich sogar, wenn man will, einen Screenshot ziehen, sich das ausdrucken und an die Wand hängen. Wird sich wahrscheinlich keiner beschweren weil’s ja eh niemand mitkriegt“ sagt Julia Staudach „Aber wenn man das Bedürfnis hat, zu sagen: das ist exklusiv meiner, der liegt in meiner Wallet zu der nur ich die Private Keys habe, dann muss man es halt käuflich erwerben.“

Damit verkörpern die NFTs auch einen Widerspruch: Jeder kann das NFT sehen, sich sogar herunterladen und ausdrucken - aber es gibt trotzdem nur EINEN Eigentümer. Interessant ist diese Idee des exklusiven Besitzens eines Online-Gegenstands auch deswegen, weil es dem Trend der vergangenen Jahre zuwiderläuft, sagt Kunsthistorikerin Annette Doms: „Eigentlich dachten wir aus kunsthistorischer Perspektive, dass die Entwicklung von digitaler Kunst eher in die Richtung geht von MP3, Downloads, E-Books. Dass die Möglichkeit des Originals wieder zurückgekommen ist, das hatte man so gar nicht erwartet!“

Kunst kaufen direkt vom Hersteller

Damit mischen NFTs den Kunstmarkt auf. Nicht nur, weil Digital-Künstlerinnen wie Julia Staudach und Bernhard Nessler jetzt Wege finden, ihre Kunstwerke handelbar zu machen. Sondern weil sich damit auch etwas im Kunstmarkt ändert, sagt Annette Doms: „Der Kunstmarkt bisher lebt ja auch durch seine Intransparenz und aufgrund seines elitären Backgroundes und Insiderwissen und, ja, auch den beschränken Zugang zu manchen Künstlern.“

Weil im NFT selbst ja schon das Echtheitszertifikat enthalten ist, fällt zum Beispiel Insiderwissen um diese Echtheit und Provenienz weg. Außerdem kann ich als Kundin, die Kunst kaufen möchte, über NFT-Verkaufsplattformen direkt vom Künstler oder der Vorbesitzerin kaufen. Ich kann sehen, zu welchem Preis das Kunstwerk ursprünglich eingestellt wurde und wie er sich verändert hat. Galerien oder Auktionshäuser als Vermittler braucht es dafür nicht.

"Diese Sammler hatten teilweise keine große Erfahrung mit dem Kunstmarkt."

Aus allen diesen Gründen verändert sich auch die Käuferschar. Die neuen Sammlerinnen und Sammler sind oft Millennials, die ihre Wallets mit den NFT Kunstwerken aufhübschen und als eine Art Profil ihres Geschmacks nach außen tragen. Anette Doms hat sich mit diesem Phänomen befasst: „Diese Sammlerschar ist sehr jung - in der Regel es handelt sich um Millenials, da gibt es auch schon einige Studien darüber. Und diese Sammler hatten teilweise keine große Erfahrung mit dem Kunstmarkt. Beispielsweise Whale Shark, der größte NFT Sammler derzeit, der selber sagt: bisher wusste ich nicht viel von Kunst aber für ihn ist es ein Benefit diese Kunst zu sammeln und er sammelt was er liebt.“

Auch die CryptoWiener kennen das Phänomen, dass die NFTs in der Cryptocommunity als eine Art Profil gelten, um sich zu präsentieren. Bernhard Nessler sagt über die neuen Kunst-Fans: „Für die besitzen die virtuellen Gegenstände auf jeden Fall einen Wert, weil sie sich damit darstellen können. Das Ethereum Wallet ist dann eher zu einer Kombination der Geldbörse und des neuen Sozialen Profils im Internet geworden.“

NFT Digital Artwort

NFT Digital Artwort

APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Virtuelle Galerien im Metaversum

Bleibt die Frage nach dem Wert dieser Kunstwerke. Dass genau diese Arbeit um 70 Millionen Dollar versteigert wurde, ist auch der Tatsache zu verdanken, dass es eben das erste Mal war, dass eine rein virtuelle Arbeit auf Christies versteigert wurde. Quasi ein Neuigkeitswert, meint Anette Doms: „Es gibt mehrere Beispiele von auktionierten Arbeiten aus dem Bereich Neue Technologien, etwa auch die Artificial Intelligence Arbeit von Obvious, die kürzlich bei Christies versteigert wurde und einen enormen Preis erzielt hat.“ Das war 2018 das „Portrait of Edmond de Belamy“ - dem ersten Portrait, das komplett von einer künstlichen Intelligenz erschaffen worden ist. Diese KI wurde wiederum von einem französischen Kunstkollektiv namens Obvious trainiert. „Das war damals eine einmalige Aktion, weitere Arbeiten der Künstlergruppe wurden dann nicht mehr so hoch versteigert.“

Für die NFTs war eben jetzt dieser historische Moment - den die Blockchain- und Krypto-Community auch nutzt als Zeichen nach außen, dass sie an diese Technologie und ihre Zukunft glaubt. Der Käufer MetaKovan ist der Meinung, dass die Arbeit eines Tages eine Milliarde Dollar wert sein wird und dass Menschen sie in virtuellen Galerien in einem so genannten Metaverse -einer Art virtuellen Welt - erkunden werden.

„Die reine Spekulation zahlt sich nicht aus."

Die Entwicklung hat aber auch Kritik hervorgebracht, dass Kunst damit endgültig zur Wertanlage wird, als Ersatz für die Coins, die digitale Währung. Das wollen die CryptoWiener so nicht sehen. Ihnen geht es darum, eine Online-Community aufzubauen und einen digitalen Raum für Kunst zu schaffen, sagt Bernhard Nessler: „Die reine Spekulation, würd ich sagen, zahlt sich nicht aus. Weil es zu viele Projekte gibt, wo man sein Geld verlieren könnte, wenn man die falsche Kunst anschafft. Deswegen ist es uns eben ein großes Anliegen, ein ganzes Universum um unsere CryptoWiener zu bauen, und viele Aktivitäten auch für die Community anzubieten und nicht einfach nur ein paar Bilder auf die Blockchain zu stellen, die zu verkaufen und die Sache ist gegessen.“

Kleine Fußnote dieser Geschichte: während der Käufer MetaKovan von sich behauptet, sein gesamtes Vermögen in der Blockchain zu haben und in der „echten“ Welt nicht einmal ein Auto zu besitzen, hat Beeple, der Urheber des bei Christies versteigerten Werks, seine virtuellen Coins so schnell als möglich in harte American Dollars umgewandelt. Nicht alle Beteiligten scheinen also uneingeschränkt an virtuellen Besitz zu glauben.

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