APA/DPA/ANNETTE RIEDL
Dimensionen
Das Down danach
Über die Nachwirkungen von Cannabis auf Jugendliche.
8. Oktober 2021, 12:00
Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge, vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Mindestens zehn Prozent der Minderjährigen haben schon einmal gekifft. Bei den 18- bis 25-Jährigen sind es sogar 40 Prozent - Tendenz steigend.
Doch ausgerechnet bei jungen Leuten reagiert das Gehirn, das sich noch in der Entwicklung befindet, besonders empfindlich auf Cannabis. Der Grund: Der menschliche Körper produziert selbst Stoffe, die den Substanzen im Cannabis sehr ähnlich sind. Diese Endocannabinoide steuern während der Pubertät, welche Vernetzungen zwischen den Nervenzellen stattfinden. Werden zu dieser Zeit Cannabinoide konsumiert, kann es zu einer Störung dieser Entwicklung kommen.
Psychotische Störung möglich
Eine der wichtigsten Fragen, die die Forschung beschäftigt, ist dabei, ob Cannabis Psychosen verursachen kann. Psychiater am Londoner King’s College fanden bei einem Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Rate an Psychosefällen in den beiden europäischen Städten, in denen das Cannabis besonders viel vom rauschauslösenden Wirkstoff THC enthält - London und Amsterdam. Die sogenannte CaPRis-Studie im Auftrag des deutschen Bundesgesundheitsministeriums kam zu dem Ergebnis: Täglicher Konsum und hoher THC-Gehalt erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer psychotischen Störung sogar um das Fünffache.
Doch es bleiben Zweifel: Wenn europaweit immer mehr Menschen kiffen und der THC-Gehalt in den vergangenen zehn Jahren ganz allgemein zugenommen hat, warum ist dann nicht auch die Zahl der Psychosefälle insgesamt erkennbar gestiegen? Vielleicht liefern die Erbanlagen eine Antwort. Studien aus der Genetik suggerieren ein Dreiecksmodell: Menschen mit einer genetischen Veranlagung zu psychischen Erkrankungen sind möglicherweise anfälliger für einen übermäßigen Cannabis-Konsum. Der Drogenkonsum verursacht aber zusätzlichen Stress und kann möglicherweise eine psychotische Störung auslösen.
Sucht wird als Krankheit übersehen
In der Diskussion darüber, welche psychischen Krankheiten durch Cannabis-Konsum ausgelöst werden können, wird leicht übersehen, dass die Sucht selbst eine Krankheit ist. Das wird bei einem Besuch in einer Suchtklinik für Jugendliche und junge Erwachsene deutlich. Viele von ihnen haben schon mit 13 oder 14 Jahren mit dem Kiffen angefangen, die Schule abgebrochen und sind straffällig geworden. Nach dem Entzug kämpfen sie mit großer Antriebslosigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten. Rückfälle sind auch nach monatelanger Therapie keine Seltenheit.
Zugleich wächst die gesellschaftliche Akzeptanz. Nachdem Uruguay, Kanada und mehrere US-Bundesstaaten Cannabis freigegeben haben, wird auch in Europa wieder verstärkt über eine Legalisierung diskutiert. Kritiker/innen befürchten, dass dadurch die Droge verharmlost werden könnte. Befürworter/innen hoffen dagegen, dass Jugendliche besser geschützt werden könnten, wenn die Abgabe kontrolliert und nicht dem Schwarzmarkt überlassen würde.
AP/STEVE HELBER
Konsum in Legal States gesunken
Tatsächlich scheint es in den USA bislang keinen Anstieg beim Cannabis-Konsum der Jugendlichen zu geben, im Gegenteil: Einer ersten Studie zufolge sank in den sogenannten Legal States die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teenager regelmäßig Gras raucht. Ein Grund dafür könnte sein, dass die neuen Gesetze die Aufmerksamkeit der Eltern erhöht haben, sodass sie mehr mit ihren Kindern über Drogen sprechen. Denn darin sind sich Suchtexpert/innen einig: Wenn Cannabis legalisiert wird, dann sollte das mit verbessertem Jugendschutz, mit Aufklärung und Prävention einhergehen. Bisher drücken Eltern, Lehrkräfte und andere, die mit Jugendlichen zu tun haben, einfach oft ein Auge zu, wenn es ums Kiffen geht.
Text: Wibke Bergemann