
APA/VOLKSTHEATER/MARCEL URLAUB
Saisonauftakt
Lotz' "Politiker" am Volkstheater
Mit seiner Kriegssatire "Die lächerliche Finsternis" (Uraufführung 2014 im Wiener Akademietheater) hat der deutsche Dramatiker Wolfram Lotz die Kritik begeistert. Am Freitag (3.9.) bringt das Volkstheater zum Saisonauftakt sein jüngstes Stück "Die Politiker" zur Österreichischen Erstaufführung. Regie führt Hausherr Kay Voges.
4. Oktober 2021, 02:00
Es ist ein emotional aufgeladenes Wort, das eine ganze Sprachflut auslöst: Keine Abrechnung mit einer Berufsgruppe ist hier zu erleben, sondern eine präzise komponierte lyrische Kaskade voller Erinnerungen, innerer Kämpfe und Traumschilderungen - mit den Politikern als Projektionsfläche für persönliche Krisen.
Wolfram Lotz, nach seinen Stücken "Einige Nachrichten aus dem All" und "Die lächerliche Finsternis" von vielen als bester deutschsprachiger Dramatiker gefeiert, zog 2017 mit seiner Familie nach Colmar in den Elsass und schrieb tagsüber ein sogenanntes "Totaltagebuch", in dem er jegliche Eindrücke einfing; während er in den Nachtstunden, wie er erzählt, stetig am Text "Die Politiker" weiterarbeitete. In Sätzen wie "Politiker sind korrupt" manifestierte sich für ihn ein gesellschaftliches Klima der Ausweglosigkeit.

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"Nehme die Sätze und erzeuge Licht"
"Ich dachte mir, ich nehme diese Sätze und diese Struktur und komme ins Spiel - also erzeuge damit Licht, verwandle sie und gebe ihnen damit so etwas wie eine minimale Zukunft", sagt Lotz.
Wie ein auf die Bühne gebrachtes Hörspiel wirkt diese Produktion: Sprache, Livemusik, körperliche Aktion und Licht schwingen und blitzen in einem gemeinsamen Rhythmus. Zunächst in weiße Roben gehüllt, erinnern die 13 Schauspielerinnen und Schauspieler an römische Senatoren; auf einer sich ständig drehenden Bühne mit einem kleinen antiken Tempel als Zentrum kommen sie nie zum Stillstand. Zu Musikzitaten von Franz Schubert oder Miles Davis geht es um das Weltall, kleine Katzen und gestohlenes Lieblingsspielzeug.
Schimpfen, philosophieren, halluzinieren
Ein Minidrama löst hier das andere ab; im Reigen der kurzen Monologe wird geklagt und geschimpft, philosophiert und halluziniert. Auch Videokunst bringt Kay Voges, bekannt für seine multimedialen Inszenierungen, wieder zum Einsatz. Die permanente Überforderung ist für den Regisseur ein Symptom des digitalen Zeitalters.
"Auf die Angst vor der Überforderung, der Gleichzeitigkeit und der Unvereinbarkeit kann die Kunst eine Antwort geben", glaubt Voges. "Besonders Wolframs Text zeigt, dass dieser Widerspruch und dieser Kampf auch zu Schönheit werden kann."
"Die Politiker", die zuletzt auch am Thalia Theater Hamburg und in den Münchner Kammerspielen zu sehen waren, markieren für Kay Voges auch einen programmatischen Auftakt zur neuen Spielzeit; den Anfang einer Suche, so der neue Volkstheater-Direktor. Zum Stillstand wird sein Haus jedenfalls in nächster Zeit nicht so schnell kommen.