PHILINE HOFMANN
Wiener Kammerspiele
Peymann inszeniert Ionesco
Claus Peymann inszeniert Eugène Ionescos Einakter "Der König stirbt" in den Wiener Kammerspielen. Dieser Umstand erscheint auf den ersten Blick so absurd wie das Stück, doch der legendäre ehemalige Burgtheaterdirektor hat offenbar Gefallen am Theater in der Josefstadt und seiner kleinen Nebenspielstätte in der Wiener Innenstadt gefunden und ist in diesem Herbst auch selbst auf der Bühne zu erleben.
25. Oktober 2021, 02:00
100 Minuten lang stirbt Bernhard Schir als ehemals stattlicher König ohne Land. Im zerschlissenen Purpurmantel stolpert, röchelt, lacht und poltert er seinem sicheren Tod entgegen und durchlebt dabei alle Stadien vom Weglächeln und Verleugnen über das verzweifelte Aufbäumen bis zum finalen Delirium.
PHILINE HOFMANN
"Wie Hofmannsthals Jedermann denkt dieser König, er sei als einziger unsterblich", sagt Regisseur Claus Peymann, "und der verzweifelte Erkenntnisprozess, wenn er merkt, es kommt näher und näher, das ist herrlich. Es ist komisch und am Schluss erschütternd."
Schillerndes Figurenkabinett
Umgeben wird der sterbende König vom letzten Rest eines dereinst großen Hofstaats. Der Wächter (Marcus Bluhm) verfolgt das Treiben abwechselnd mit Verwunderung und Verwirrung, der Arzt und Astronom (Johannes Krisch) tritt vorsichtshalber schon im Totengräberoutfit in Erscheinung und findet in der ersten Gemahlin des Königs (Lore Stefanek) eine abgebrühte, abgeklärte Verbündete. Allein die zweite Gattin (Maria Köstlinger) kann und will das nahende Ableben ihres Geliebten nicht wahrhaben, während das Hausmädchen (Johanna Mahaffy) mehr mit den eigenen, handfesten Mühen der Arbeit befasst ist.
PHILINE HOFMANN
"Ionesco hat großartige Figuren geschrieben", konstatiert Peymann. Da reichen ein paar skurrile Versatzstücke, etwa ein mit Lumpen umwickelter Thron, um die Untergangsatmosphäre zu markieren. Alles übrige besorgen die akribisch erarbeitete Mimik und Gestik des hochkarätigen Ensembles.
PHILINE HOFMANN
Absurd ist das neue "Politisch"
Von bemühten Anspielungen und Querverweisen auf die Gegenwart sieht Peymann gänzlich ab. Denn er sehe sich grundsätzlich eher wie ein Kapellmeister oder Dirigent, der das Werk eines Komponisten aufführt, so Peymann.
Das gelte noch mehr bei Ionesco, dessen fast 60 Jahre alter Einakter keiner Aktualisierung bedürfe, denn: "Ionesco ist für mich der Autor der Stunde. Denn das Denksystem des Glaubens, der Revolution, des Kommunismus - das hat ja alles nicht geklappt. Die Pandemie lehrt uns das ja, sogar die Wissenschaft liegt am Boden. Da hilft nur das höhnische Gelächter, der Zynismus oder die Absurdität."
Neue Theater-Liebe mit 84
Bleibt die Frage: Was macht der legendäre ehemalige Burgtheaterdirektor Claus Peymann in den Wiener Kammerspielen? Nun, inszenieren, und das mit großer Begeisterung. Das Team hinter den Kulissen sei kleiner als der große Apparat im Burgtheater, das sorge für intensivere, persönlichere Arbeitsbeziehungen. Schon vor einem Jahr gab Peymann mit Bernhards "Der deutsche Mittagstisch" sein Regiedebüt in der Josefstadt, jetzt also auch die Innenstadt-Dependence, die gerade mit Produktionen wie dieser ihr hausbackenes Image loswerden soll.
MORITZ SCHELL
Peymann fühlt sich sichtlich wohl: "Früher habe ich ja immer auf die Josefstadt hin gehackt und das Haus als größten und erfolgreichsten Schlafsaal der Stadt bezeichnet. Das hat man hier wohl nicht so geliebt, aber ich orte jetzt eine Aufbruchstimmung, auch in diesem kleinen, ehemaligen Boulevardtheater. Es will mehr, und das ist gut."
MORITZ SCHELL
Im Oktober ist der Bernhard-Vertraute auch wieder selbst auf der Bühne zu erleben - gemeinsam mit Hermann Beil und Maria Happel gibt er "Claus Peymann kauft sich eine Hose …". Ein Höllenritt für den 84-Jährigen: "Hinterher bin ich immer so fertig, dass man mich nach Hause tragen muss." Und doch liebe er es, aufzutreten. Nachsatz: "Man fragt sich immer, die wievielt letzte Vorstellung ist das jetzt?"