Anton von Webern

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Neue Musik auf der Couch

Anton Webern: "Fünf Sätze"

Anton Weberns "Fünf Sätze" für Streichquartett, komponiert im Jahr 1909, stehen zeitlich am Beginn eines musikgeschichtlichen Paradigmenwechsels - während über viele Jahrhunderte davor die musikalische Sprache der europäischen Kunstmusik tonal bzw. modal geprägt war, beginnt mit dem Jahr 1908 für den Kreis der zweiten Wiener Schule die Zeit der sogenannten "Freien Atonalität".

"Als ob das Licht erloschen wäre!", meint Webern rückblickend über jene Phase des "Interregnums", das nur wenige Jahre bis zur Entwicklung der Kompositionsmethode "mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen" (Schönberg) andauerte.

Fünf Sätze, reine Spieldauer etwa elf Minuten - in diesem Werk kündigt sich jenes Merkmal an, das im weiteren Verlauf zu Weberns Markenzeichen werden soll: extreme Kürze. Überhaupt sind die atonalen Werke dieser Zeit in der Regel kurz, ist doch mit der Tonalität die wichtigste formschaffende Größe aus dem Spiel geraten.

Vielschichtige Eröffnung

Zeit-Ton | 04 10 2021 - Thomas Wally über die Einleitung von Anton Weberns "Fünf Sätze"

Während die ersten drei Sätze eine formale Nähe zur Tradition aufweisen - Eröffnungssatz als Sonatensatz, langsamer Satz in dreiteiliger Liedform, Scherzo - wird eine Zuweisung an traditionelle Formmuster ab dem vierten Satz schwierig, sind doch sowohl der vierte als auch der fünfte Satz extrem langsam. Der letzte Satz schlägt mit seiner formalen Komplexität eine Brücke zum ersten Satz, wodurch das gesamte Quartett bis zu einem gewissen Grad als um den raschen Mittelsatz gespiegelt betrachtet werden kann.

"Expressionistische Miniaturen" nannte Rudolf Kolisch Anton Weberns "Fünf Sätze", und bringt es damit auf den Punkt: erscheint uns doch heute dieses Streichquartett als dichtes, extrem ausdrucksstarkes, ungeheuer berührendes Werk.

Text: Thomas Wally

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