Franz Klammer

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Film

"Klammer - Chasing the Line"

Es war eines der prägenden, fast epochalen Sportereignisse: der 5. Februar 1976. Olympiaabfahrt in Innsbruck. Franz Klammer verzückt mit einem furiosen Lauf nicht nur eine ganze Skination, selbst die amerikanischen Nachrichten berichten groß über den Kaiser auf zwei Brettern. Sportbiografien wie jene von Klammer schreien eigentlich nach einer Verfilmung. Bislang lehnte er alle Angebote ab. Bis Regisseur Andreas Schmied auf ihn zukam. Seine Idee: fünf Tage backstage mit Klammer in Innsbruck vor dem Olympiagold. "Klammer - Chasing the Line" wurde ein rasanter Film, der den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht.

Franz Klammer ist gerade einmal 22 und hat vor diesen Olympischen Spielen eineinhalb Saisonen den Skisport dominiert. Vom Kärntner Bauernhof auf den internationalen Ski-Olymp - Franz Klammer scheint nichts aus der Bahn werfen zu können. Nun liegt Abfahrtsgold griffbereit und nichts weniger als diese prunkvolle Krönung erwartet ganz Österreich. "Alle, die dieses Rennen miterlebt haben, wissen noch heute ganz genau, wo sie waren, was sie während des Laufs gemacht haben", erinnert sich Klammer heute zurück. "Bei welchen Sportereignissen kann man das heutzutage schon sagen?"

Franzi, der Ski-Punk

60.000 standen damals am Pistenrand, die Straßen leer wie im Lockdown. "Klammer - Chasing the Line" erzählt von einer Ära, als die Ski noch selbst gewachst wurden, man Jethosen trug und für eine Olympiaabfahrt um 11 Uhr schulfrei gegeben wurde. Tonfall und Bildsprache stehen unter Spannung. "Franz Klammer war ein junger Bub und wir wollten einfach, dass der Film eine gewisse Punk-Attitüde hat", sagt Regisseur Andreas Schmied.

"Du musst den Sieg holen, der kommt nicht zu Dir", Franz Klammer

Dem Film gelingt es, eine Zeit und ihren Geist einzufangen: die Musik von Credence Clearwater Revival, das Winnetou-Plakat im Kärtner Kinderzimmer, den Schnaps vor dem Training, den Fuchsschwanz am Schlüsselanhänger, das beigebraune Österreich mit seiner Gier nach Helden. Und - er zeichnet einen Sportler, der das Getöse kaum noch aushält und trotzdem sympathisch bleibt, bescheiden und randvoll mit Schmäh.

Schmied zeigt Klammer vor und hinter den Kulissen als einen aufgeweckten, auch ängstlichen, ehrgeizigen und integren Spitzensportler, der für sich und seine Handlungen Verantwortung übernimmt. "Hoffen ist zu wenig, vielleicht ist auch zu wenig. Du musst den Sieg holen, der kommt nicht zu Dir", so der echte Klammer heute.

Skistar Franz Klammer und Hauptdarsteller Schauspieler Julian Waldner

Skistar Franz Klammer und Hauptdarsteller Schauspieler Julian Waldner

APA/HANS PUNZ

Bereit für den Anruf von Thomas Muster

Natürlich gibt es die auch in "Klammer - Chasing the Line" im Genre fast unvermeidlichen Montagesequenzen a la "Rocky", eine rasende Kamera, die am Ski klebt und die Geschwindigkeit einfängt, die Pisten-Gladiatoren in der patriotisch aufgeheizten Arena.

"Diese Filme sind vor allem wahnsinnig teuer", so Regisseur Andreas Schmieds Diagnose, warum im Sportland Österreich kaum Sportfilme gedreht werden. "Vor allem, wenn man eine andere Zeit erzählen will gibt man auf ein herkömmliches Budget noch einmal ein Budget drauf, damit man überhaupt das Publikum in diese Zeit entführen kann." Einer der Produzenten des Films war auch schon beim Niki-Lauda-Drama "Rush" von Regisseur Ron Howard dabei - ein Film, der Schmied ebenso inspirierte wie der Tom-Cruise-Klassiker "Tage des Donners". Falls Thomas Muster anrufen würde, er stünde bereit, unterstreicht Schmied seine Leidenschaft für den Sportfilm.

Mit "Klammer - Chasing the Line" gelingt ihm Ausnahme zur Regel, auch wenn ein Hauch weniger Pathos und dafür etwas mehr Punk nicht geschadet hätten. Dennoch: ein Film einnehmend wie sein Protagonist und schnittig wie ein gelungener Carving Schwung.

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