Thomas Wally

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Neue Musik auf der Couch

Béla Bartók: Streichquartett Nr. 6

Mesto" - traurig. Mit dieser einfachen Angabe ist jeder Satzanfang des sechsten und letzten Streichquartetts von Bartók überschrieben.

Das 6. Streichquartett von Béla Bartók aus dem Jahr 1939 ist auch sein letztes Streichquartett - das 7. Streichquartett von Bartók wird etwa 15 Jahre später von György Ligeti komponiert werden, so zumindest in einer Bemerkung des ungarischen Komponisten György Kurtág. Geschrieben wird es in einer Zeit des persönlichen und politischen Umbruchs: 1939 ist nicht nur das Jahr des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs, sondern auch das Todesjahr von Bartóks Mutter; 1940 emigriert Bartók in die USA, wo dieses Werk vom Kolisch Quartett 1941 in New York uraufgeführt wird.

Dieses Streichquartett weist eine ausgesprochen eigenwillige formale Gestaltung auf. Jeder Satz beginnt mit demselben musikalischen Gedanken, der sukzessive, von Satz zu Satz, erweitert wird, bis er schließlich den gesamten vierten und letzten Satz beherrscht. Im ersten Satz wird diese Melodie in Form eines einstimmigen Monologs der Viola vorgetragen; der folgende Satz stellt dieser Melodie, nun im Violoncello, eine kontrapunktische Gegenlinie gegenüber, die in einer raffinierten Instrumentierung von den drei restlichen Stimmen in doppelten Oktaven gespielt wird. Am Beginn des dritten Satzes erklingt der musikalische Gedanke als Oberstimme eines dreistimmigen Gewebes; im Schlusssatz erscheint er sofort in vierstimmiger Umgebung.

In den ersten drei Sätzen hat diese Melodie eine einleitende Funktion und steht in ihrem Charakter - "mesto", also traurig - den Hauptteilen der Sätze konträr gegenüber; deutlich weniger Wehmütiges findet sich im Vivace des ersten Satzes, im Marsch des zweiten oder in der "Burletta" des dritten Satzes. Ganz anders jedoch der Schlusssatz: es scheint, als hätte die Traurigkeit, die von Satz zu Satz in ihrer Bedeutung wuchs, schlussendlich musikalische Oberhand gewonnen.

Gestaltung

  • Rainer Elstner

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