Ausschnitt des Albumcovers, Schmetterlinge

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Album

The Divine Comedy's "Charmed Life"

Der nordirische Sänger und Komponist Neil Hannon wurde Mitte der 1990er Jahre im Sog des damaligen Britpop-Hypes in Großbritannien unverhofft zum Popstar. Hannons Band, The Divine Comedy, besteht heute aus sieben Mitgliedern und steht für Kammer-Pop und Texte gespickt mit Referenzen aus Film oder Literatur. Zwölf Alben sind bislang erschienen. Nun wird Inventur gemacht und Bilanz gezogen. "Charmed Life - The Best of The Divine Comedy" heißt die am Freitag erscheinende Werkschau mit den größten Hits.

Das ganze Interview mit Neil Hannon sehen Sie am Fuß des Artikels im Videomitschnitt.

Mitte der 1990er badete Neil Hannon im Champagner. Nach zwei Alben, die insgesamt 6.000 Stück verkauft hatten, traf er mit "Casanova" mitten ins Herz der Sixties verliebten Britpop-Generation. Hannon gab den distinguierten Dandy im Bowler-Hut, der mit cleveren Songs voller Anspielungen gute Laune machte. "Ich erinnere mich an diese Zeit wie an einen Wirbelsturm, ich verlor die Bodenhaftung", meint Hannon. "Mein Liebesleben war immer schon ein Desaster, aber zu der Zeit war mir das egal. Ich hatte zu viel um die Ohren."

Tourneen, ausverkaufte Show, Hannon schreibt den Titelsong zur britischen TV-Serie "Father Ted". "Ich habe es richtig genossen, es machte ziemlich viel Spaß", so Neil Hannon über seinen, im Nachhinein betrachtet, kurzen Moment des Popstardaseins. Der Traum des kleinen U2-Fans aus der nordirischen Stadt Enniskillen hatte sich erfüllt.

Neil Hannon auf dem Cover von "Carmed Life"

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On The Road to Nowhere

Mit 20 kam Neil Hannon mit seiner Schulband, leeren Taschen aber einem Plattenvertrag in London an. Ein junger Mann mit einem Faible für den Sänger Scott Walker. Der Sohn eines Priesters verschlingt die Bücher F. Scott Fitzgerald und E.M. Forster, und lässt sich von den Arrangements von Michael Nyman inspirieren. Das Resultat: die Alben "Liberation" und "Promenade" erscheinen Ende 1993/Anfang 1994 innerhalb von nur sieben Monaten. Beide floppen.

"Ich habe die Songs in etwa zur gleichen Zeit geschrieben. Da war meine erste Band gerade auseinandergebrochen. Ich musste wieder in den Dachboden meiner Eltern ziehen." Der Erfolgsweg präsentierte sich für The Divine Comedy lange wie eine verschlungene Serpentinenstraße.

"Nur die Franzosen rümpften die Nase …"

"Your Daddy’s Car" ist eine dieser typischen Hannon-Kompositionen, eine Kurzgeschichte mit einer präzise aufgetragenen Schicht Ironie, ein romantisches Ständchen mit Augenzwinkern. Hannon verquickt dabei seine eigene Autobiografie mit dem Teenager-Klassiker, das Auto der Eltern ungefragt zu entlehnen.

Als 1996 aus The Divine Comedy schließlich doch noch Hitparadenmaterial wurden, war vor allem eine Gruppe beleidigt: die Franzosen. Sie zählten zu den ersten Fans der Band. "Ich kann mich erinnern, dass die französische Presse die Nase rümpfte und meinte: 'Aargh, jetzt macht er auf Britpop.' Aber auch sie sind darüber hinweggekommen", so Hannon.

Dandy Sounds

So viel Lust er am geschliffenen Erzählen auch habe, eines kann sich Neil Hannon nur schwer vorstellen: ein Buch zu schreiben. Dazu fehle ihm die Fantasie. "Wie schwierig muss es sein, ein Buch zu schreiben? Dazu braucht es so viel Vorstellungskraft. Ich strenge mich schon an, mir die Welten meiner Figuren ein paar Strophen lang auszumalen."

Neil Hannon selbst hat die 24 Stücke von "Charmed Life" in den Abbey Road Studios in London neu abgemischt. Zehn Raritäten sind auf einer limitierten Deluxe-Ausgabe zu finden. Popmusik für den Dandy von heute - und jene, die es gerne wären.

Neil Hannon im Gespräch mit David Baldinger

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The Divine Comedy

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