Alexander Kluge

MARKUS KIRCHGESSNER

Ö1 Schwerpunkt

Filmemacher Alexander Kluge wird 90

Der Filmemacher und Autor Alexander Kluge gilt als hervorragender, exakt beobachtender Erzähler. Er war aber über Jahrzehnte weit mehr als ein aufmerksamer Chronist: Durch seine Filme, Bücher und TV-Formate hat er die deutsche Kulturlandschaft bereichert und geprägt. Und immer noch liefert der in München lebende Intellektuelle weitere Denkanstöße.

Angst sei ein schlechter Ratgeber, befindet Kluge in seinem autobiografisch gefärbten Buch "Das Buch der Kommentare - unruhiger Garten der Seele", in dem er sich auch der aktuellen Pandemie annimmt. "Es gibt immer Notausgänge", schreibt er darin und führt als Kronzeugen Marcel Proust an. Dieser habe eines Abends in Paris ein langweiliges Theaterstück gesehen. Da fällt sein Blick auf das "Notausgang"-Schild. Er stellt sich vor, wenn jetzt ein Theaterbrand entstünde, wüsste er, wo der Ausgang ist. Damit war der Abend für ihn gerettet: Seine Einbildungskraft hat den Abend spannend gemacht."

Mehr dazu in oe1.ORF.at - Zwei neue Bücher von Alexander Kluge

Einen "Notausgang" hat er einst selbst gebraucht, wie Kluge erzählt: Als 13-Jähriger war bei einem Bombenangriff in Halberstadt verschüttet worden. Nach einer Weile habe er einen Ausgang zum Nachbarhaus gefunden und von da aus ging es zum nächsten und zum übernächsten Haus, bis sich schließlich ein Weg nach draußen fand. "Es gibt immer einen Ausweg", hat er daraus gelernt. "Um ihn zu finden, muss man locker lassen, oder man muss dafür sorgen, dass der Notausgang zu einem kommt. Man muss ihn zulassen."

Alexander Kluge

MARKUS KIRCHGESSNER

Mitbegründer des Autorenkinos

Kluge, 1932 in Halberstadt geboren, studierte Jura, Geschichte und Kirchenmusik. Er promovierte und arbeitete zunächst als Rechtsanwalt. 1958 volontierte er bei dem weltberühmten Regisseur Fritz Lang ("Metropolis") und fing bald darauf an, selbst Regie zu führen. 1962 war er einer der Filmemacher, die mit dem "Oberhausener Manifest" ein Kino der Autoren forderten. Kluge inszenierte Filme wie "Abschied von gestern", "Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos" und "In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod".

1987 war Kluge Mitbegründer der Produktionsfirma dctp, die private Fernsehsender wie Sat.1 oder RTL mit wissenschaftlichen und kulturellen Beiträgen versorgt. Das Magazin "Spiegel TV" stammt beispielsweise aus seinem Haus. Für seine Bücher und Filme erhielt Kluge unter anderem den Adolf-Grimme-Preis, den Georg-Büchner-Preis, den Heinrich-Heine-Preis sowie den Klopstock-Preis.

Mit dem Maler Gerhard Richter, der jüngst ebenfalls 90 Jahre alt wurde, verbinden Kluge neben einem gemeinsamen Urlaubsziel in der Schweiz auch zwei Bücher. Er steuerte zu Richters Fotos die Texte bei. "Was er kann, kann ich nicht, wir ergänzen uns". Dabei sei der Maler gelegentlich recht radikal mit seinen Texten umgegangen, wie Kluge berichtet. "Er zerschnitt manchmal aus ästhetischen Gründen meine Texte." Umgekehrt wäre das wohl eher nicht anzuraten: "Seine Werke sind generell etwas teurer."

Ungebremster Tatendrang

Auch im vorgerückten Alter scheint Alexander Kluges Begeisterung für Ideen und Herausforderungen, Projekte und Kooperationen ungebremst zu sein. Sein Tatendrang ist so imposant wie erstaunlich. "Ich arbeite viel mit jungen Menschen zusammen." Beim Arbeiten spielten Befindlichkeiten und Alter keine Rolle. Behilflich sei beim kreativen Prozess, die "Ich-Schranke" zu senken. "Alles, was einen von der eigentlichen Arbeit ablenkt, muss außen vor bleiben: der eigene Anspruch, die Erwartungshaltung und - natürlich auch - die Eitelkeit. Nur so kann es aus dem Bleistift fließen."

Seinen 90. Geburtstag feiert er gleich mehrfach: Am 12. Februar richtete die Wiener Sängerin Eva Jantschitsch aka "Gustav" gemeinsam mit der Schauspielerin Lilith Stangenberg, dem Musiker Sir Henry und diversen Überraschungsgästen einen musikalischen Abend für Glückssucher, so der Titel, und damit eben auch für Alexander Kluge aus. Tags darauf folgte eine Lesung aus dem Buch der Kommentare mit der Schauspielerin Hannelore Hoger, ebenfalls in den Münchner Kammerspielen.

Den eigentlichen Geburtstag am 14. Februar will der nimmermüde Kulturschaffende im Kreise seiner Familie verbringen.

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