Gitarrenhals

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Milestones

"Firefly" (1981)

Das Debüt der Gitarristin Emily Remler.

Mit 16 Jahren schließt eine junge, kunstaffine Frau namens Emily Remler aus Englewood Cliffs, New Jersey, die Highschool ab. Unschlüssig, wie es weitergehen soll, bewirbt sie sich an der Rhode Island School of Design und am Berklee College of Music - und wird bei beiden genommen. Da es ihr in der Vergangenheit viel Spaß bereitet hat, auf der roten E-Gitarre ihres Bruders Popstücke nach Gehör zu lernen, entscheidet sie sich für das Berklee College of Music: eine Jazz-Eliteschmiede und, mit Ausnahme der Gesangsklasse, eine reine Männerdomäne.

18-jährig schließt Remler das Studium ab und zieht mit ihrem damaligen Partner nach New Orleans. Im "Big Easy" erwirbt sie sich aufgrund ihrer ausgezeichneten Notenlese-Fähigkeiten sehr schnell einen Ruf als gefragte Sessionmusikerin.

Concord Jazz Festival 1978

Als der berühmte Jazzgitarrist Herb Ellis einmal in New Orleans ist, trifft er die junge Gitarristin und ist nach einem Nachmittag gemeinsamen Musizierens schwer beeindruckt von ihrem Spiel. Er lädt sie zum Concord Jazz Festival 1978 ein und damit zu dem Auftritt, der den Stein ihrer Karriere ins Rollen bringen sollte.

Sie übersiedelt nach New York, spielt Konzerte, Studiosessions, und ist auch hier bald bestens vernetzt. Nach einer Session als Sidewoman für das Label bietet ihr Concord-Records-Chef Carl Jefferson schließlich einen eigenen Vertrag an, den sie unterschreibt. Daraus resultiert das Album "Firefly", das sich ohne Mühe in die bemerkenswertesten Debütalben der Jazzgeschichte einreiht.

Emily Remler

CC BY-SA 3.0/BRIAN MCMILLEN

Emily Remler

Hank Jones, Bob Maize und Jake Hanna

Gleich für ihre erste Platte kann Emily Remler die etablierten Jazzer Hank Jones (Klavier), Bob Maize (Bass) und Jake Hanna (Schlagzeug) als Mitmusiker gewinnen. Auf dem Programm dieser Session stehen Standards, Kompositionen ihrer Vorbilder McCoy Tyner und Wes Montgomery sowie ihre ersten Eigenkompositionen.

Von letzterem Gitarristen ist Remlers Gitarrenspiel auf "Firefly" noch hörbar geprägt, im Laufe ihrer sich daraufhin rasch entwickelnden Karriere wird sie ihren eigenen Sound immer mehr verstärken. Von Montgomerys Einfluss ausgehend ist "Firefly" ein swingendes Hard-Bop-Kleinod; Emily Remler steht klar im Vordergrund, dennoch ist auch genügend Platz für solistischen Input ihrer Mitmusiker vorhanden, und die LP erscheint als ganz und gar runder Gemeinschaftsakt.

Drogen und Alkohol

Eine große Zukunft sagen ihr Kritiker/innen und Mitmusiker/innen infolge dieses Albums voraus, eine Prognose, die sich bewahrheiten sollte. Doch selbst mit zunehmendem Ruhm wird sie als Instrumentalistin von vielen ihrer männlichen Kollegen nicht ernst genommen, muss sich immer wieder aufs Neue beweisen, wie sie sagt. Dem Alkohol und anderen Drogen nie ganz abgeneigt, entwickelt sie im Laufe der folgenden Jahre verschiedene Abhängigkeiten, wird clean, erleidet Rückfälle.

Am 4. Mai 1990 wird sie während einer Australien-Tournee in ein Krankenhaus in Sydney eingeliefert und verstirbt dort noch am selben Tag. Herzinfarkt kolportieren die Medien, vermutlich in Zusammenhang mit Opioidkonsum. Emily Remler wird nur 32 Jahre alt.

Mit "Firefly" rückt die Sendereihe "Milestones" im "Ö1 Kunstsonntag" den Startpunkt einer viel zu kurzen Karriere in den Mittelpunkt. Einer Karriere, die Emily Remler als eine der besten Gitarristinnen der vergangenen Jahrzehnte verewigt und die nicht zuletzt vielen jungen Musikerinnen zum Vorbild und zur Ermutigung wurde, selbst diesen Weg einzuschlagen.

Gestaltung

  • Xavier Plus