Szene aus "Happy End", 2017

ÖSTERREICHISCHES FILMMUSEUM

Retrospektive

Haneke zum 80. Geburtstag

Michael Haneke ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Regisseure des Weltkinos. Sein Werk wurde mit einem Oscar, mit zwei Goldenen Palmen in Cannes, mit zwei Golden Globes und zahlreichen weiteren internationalen Preisen ausgezeichnet. Am 23. März feiert Haneke seinen 80. Geburtstag. Das österreichische Filmmuseum, dem Haneke seit 2003 schrittweise seinen Vorlass überträgt, widmet dem Filmemacher jetzt eine große Schau, die zentrale Kinoarbeiten wie "Das weiße Band" oder "Amour" ebenso versammelt, wie Hanekes frühe Arbeiten für das Fernsehen. Ö1 bat Filmmuseum-Leiter Michael Loebenstein zum Gespärch.

Michael Haneke

WEGA FILM/STEFAN HARING

"Die wahre Schönheit ist die Genauigkeit", Michael Haneke

"Wichtig sind genaue Bilder, keine schönen Bilder. Schöne Bilder gehören in eine Ausstellung. Aufgehängt. Aber nicht in einen realistischen Film." Das Handwerk sei die Basis für die Kunst, sagt Michael Haneke in der Dokumentation "Michael H. - Profession: Director". Und seine Präzision und Kunstfertigkeit im Umgang mit den Mitteln des Kinos sei es auch, die das gesamte Werk Hanekes präge, so Michael Loebenstein, Direktor des Filmmuseums: "Die Frage, wie inszeniere ich ein Bild, wie gestalte ich eine Szene, trifft sich bei Haneke mit einer impliziten Kritik daran, wie unreflektiert wir Bilder produzieren und wie unreflektiert wir auch als Medienkonsument/innen, aber auch als Kinopublikum mit Bildern leben."

Das offensichtlichste Beispiel, wie Haneke die Künstlichkeit der Bilder ausstellt und das Publikum in eine Komplizenschaft mit den Figuren zwingt, findet sich in "Funny Games". Die jungen Männer wenden sich direkt der Kamera zu, während sie in sadistischen Gewaltspielen unbeeindruckt das Leid der Kleinfamilie beobachten. "Was glauben Sie, haben sie eine Chance?", wird das Publikum gefragt. In seinem US-Remake von "Funny Games" stellte Haneke Szene für Szene nach.

Für ein mündiges Publikum

"Hanekes Filme, das macht ihren Reiz, aber auch ihre tiefe Irritation aus, erklären nichts", sagt Michael Loebenstein. In der Ästhetik und der Form, die den Inhalt mitbestimmen, bleibt die Interpretation dem Publikum überlassen. Und es ist nie der große Effekt, sondern es sind die kleinen Irritationen im Blick auf das Alltägliche - dorthin, wo es unbequem wird -, mit denen Haneke Reaktionen provoziert. "Wobei in dieser Darstellung des Alltäglichen entscheidend sei, dass es nie einen naiven Abbildungsrealismus gibt", so der Direktor des Filmmuseums.

Wenn Haneke in "Amour" von Liebe erzählt, ist sie für Haneke der Schlüssel zur Würde im Leiden. Der gemeinsame, noch selbstbestimmte Abschied aus einem geteilten Leben. In "Das weiße Band" bereiten Strenge, Grausamkeit und Demütigung den Nährboden für ideologische Radikalisierung. Und immer wieder ist es die bürgerliche Gesellschaft und deren Verhältnis zu Geschichte, Macht und Disziplin, die Haneke seziert.

Fernsehfilm, Kino, Oper: 26-mal Haneke

Die Schau im Filmmuseum umfasst 26 Produktionen: frühe Fernseharbeiten, vielfach Literaturverfilmungen wie die Ingeborg Bachmann Adaption "Drei Wege zum See". Die Anfänge im österreichischen Kino mit "Der siebente Kontinent" und "Bennys Video". Und schließlich der Aufbruch in das Weltkino. "Hier ist Hanekes Sonderstellung auch darin begründet", sagt Michael Loebenstein, "dass er nach einer viel beachteten Serie von Filmen in Österreich, die das Bild des österreichischen Films auch international nachhaltig geprägt haben -, dass er dann den Schritt in einen anderen Sprachraum macht und in Frankreich seine Themen weiterführt und seinem Werk zugleich noch eine neue kulturelle Dimension gibt."

La Pianiste (Die Klavierspielerin), 2001

La Pianiste (Die Klavierspielerin), 2001

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Von "Die Klavierspielerin" (2001) bis zuletzt "Happy End" (2017) wird Isabelle Huppert zu einer zentralen Schauspielerin bei Haneke. Im Filmmuseum ist zudem die Aufzeichnung seiner "Così fan tutte"-Inszenierung am Teatro Real 2013 zu sehen. Und der Musikalität, dem Rhythmus und dem Einsatz von Sprache in Hanekes Werk sind dann auch vier Abende im Wiener Musikverein gewidmet - in enger Kooperation mit dem Filmmuseum.

Service

Filmmuseum - Michael Haneke. Die Retrospektive läuft vom 4. März bis zum 2. Mai und ist in Zusammenarbeit unter anderem mit dem ORF-Archiv entstanden.
Filmmuseum - Sammlung Michael Haneke

Musikverein - Michael Haneke. 24. bis zum 27. März 2022

Gestaltung