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Finfluencer - die Geschäftsmodelle der Geldflüsterer

Österreicherinnen und Österreicher haben mehr Geld auf Konten und Sparbüchern liegen als in den Jahren zuvor - Zinsen gibt es so gut wie keine, und die Inflation ist auf einem 20-Jahres-Hoch. Viele vertrauen sich in Geldfragen „Finfluencern“ an. Das sind junge, hippe Menschen auf Instagram, Tiktok und Co., die heiße Anlage-Tipps auf Lager haben.

Die Bandbreite der Finanz-Influencer ist groß: Sie reicht von gelernten Finanzexperten, die seriös Wissen vermitteln wollen, bis zu Social-Media-Selfmade-InvestorInnen, die Teil eines Pyramidensystems geworden sind und die nächsten da hinein locken wollen.

"Jeder sucht so irgendwie Möglichkeiten, Geld unterzubringen.“

„Ich war immer der klassisch österreichische Sparer. Ich habe immer Sparbücher gehabt, die ich dann für ein, zwei oder fünf Jahre gebunden habe, und man hat halt immer Zinsen bekommen“, erzählt Stefan Matthias. Er ist damit keine Ausnahme: Das Sparbuch ist seit langem die beliebteste Anlageform der Österreicherinnen und Österreicher, im Jahr 2021 haben hier noch immer 53 Prozent ihr Erspartes liegen. Danach folgen Bausparer und Lebensversicherungen - ebenfalls eher konservative Anlageformen.

Wenn man sich aber jüngere Menschen ansieht, entsteht ein anderes Bild: Nur mehr 40 Prozent legen ihr Geld auf ein Sparbuch. Und laut einer Umfrage der Social-Trading-Plattform Wikifolio sind sie offener als der Durchschnitt dafür, in Aktien, Fonds und auch Kryptowährungen zu investieren. „Ich merke, im Freundeskreis ist es Thema, dass das Geld weniger wird“, sagt Stefan Matthias. „Also es gibt eine hohe Inflation und eine geringe Verzinsung. Und jeder sucht so irgendwie Möglichkeiten, Geld unterzubringen.“

Stefan Matthias hat ein Buch über das Investieren gelesen und viele YouTube-Erklärvideos angeschaut. Schlussendlich hat er sich für so genannte ETFs entschieden, auch „passive Fonds“ genannt: Ein Bündel an Aktien, die einen bestimmten Aktienindex nachbilden und gemeinsam mit diesem Index steigen oder fallen. „Diese ETFs sind die letzten Jahre sehr populär geworden, und irgendwann ist man an dem Thema nicht mehr vorbeigekommen. Und das war für mich das Schlüssigste.“

Finanzbildung auf YouTube

Auch Christian Prantner von der Abteilung Konsumentenschutz der Wiener Arbeiterkammer ist aufgefallen, dass für junge Menschen vor allem YouTube DIE Quelle für Finanzwissen ist. „Das bedeutet, schneidige junge Damen und Herren erklären jedermann und jederfrau, wie einfach es doch sei, in dieses Feld einzusteigen.“

Oft stehen hinter den Infoangeboten Plattformen, die Fonds, Wertpapiere oder andere Formen der Geldanlage anbieten. Die hat sich die Arbeiterkammer vor wenigen Monaten in einem Test angesehen: Sie hat einen Mystery Shopper losgeschickt, der sich als vermeintlich investitionswilliger Anleger beraten hat lassen. „Und das wirklich Spannende war, dass diese Plattformen fast ausschließlich Spekulationsprodukte angeboten haben. Sie haben außerdem ohne Ausnahme keine Anlageberatung angeboten, sondern nur gesagt: lieber Kunde, liebe Kundin, da hast du das Tutorial, irgendwelche Videos. Wir haben eine Community, da kann man diskutieren und Fragen stellen. Und wenn du das alles irgendwie durchgegangen bist, dann kannst du selbstständig entscheiden.“

Das selbstständig und auf eigene Faust Anlegen - das ist überhaupt eines der Buzzwords in dieser Internet-Anlegerwelt. Vielleicht hat das Misstrauen in klassische Banken und Finanzberatung seine Wurzeln in den vielen Bankenskandalen der letzten Jahre: der Finanzkrise 2008, der Hypopleite oder dem Meinl-Skandal, bei dem viele Menschen viel Geld verloren haben. „Das hat man immer ein bisschen im Hinterkopf, die schwindligen Finanzberater, die einem irgendwelche Produkte einreden“, sagt Stefan Matthias. „Ich war noch nie beim Finanzberater. Ich habe auch nie selbst irgendwelche Bücher gekauft. Es ist 2022 alles Internet-Recherche.“

Emotionale Botschaften auf TikTok und Instagram

Das machen sich auch die zahlreichen Finanz-InfluencerInnen zu Nutze, die auf Tiktok, Instagram und Co. um FollowerInnen buhlen. Laura Menke bietet etwa auf Instagram unter dem Namen „Finanzwisserin“ Rat und Hilfe zum Thema Sparen und Investieren an. Sie hat sich ihr Finanzwissen 2016 im Selbststudium angeeignet - weil so viele FreundInnen sie um Hilfe baten, gibt sie nun Kurse zu dem Thema.

„Ich habe mich lange gescheut, solche Posts zu machen wie ‚Hey, Eva investiert nicht und hat am Ende, wenn sie in Rente geht, nur so und so viel Euro‘“, erzählt Menke über ihre Instagram-Strategie. „Ich habe aber gemerkt, dass es hilft, wenn man den Leuten einfach so klipp und klar sagt, es ist ein Risiko, wenn du nichts machst. Aber wenn du die Chancen nutzt am Aktienmarkt, kannst du sehr gut was dagegen tun.“

Von Finfluencern wird gern das so genannte „FOMO“ (Fear of Missing Out) geschürt : die Angst etwas zu verpassen. Das fügt sich gut in Social Media ein, wo kurze und emotionale Botschaften erfolgreich sind. Daher konzentrieren sich die meisten Finfluencer eher auf die Vorteile von Investments. Statt umfangreich über Risiken aufzuklären, erklären sie das Nicht-Investieren selbst zum größten Risiko.

Vermeintliche Unternehmens-Mitgliedschaft via TikTok

Je jünger die Zielgruppe, desto kürzer und prägnanter sind die Botschaften. Wie bei der 21-Jährigen Julia Slatin aus Wien: Auf Fotos und Videos auf ihrem TikTok-Account trägt sie schicke Abendkleider, posiert in einem Wolkenkratzer in Dubai und macht sich über konservative Vorstellungen von einem Nine-to-five-Job oder das Sparbuch lustig. Sie zeichnet damit das Bild einer finanziell unabhängigen, freien, ambitionierten jungen Frau, die mit ihrem Online-Business Millionärin werden möchte. Und am Ende der kurzen Videoclips kommt meist der Hinweis, sich mit ihr per Direktnachricht zu vernetzen.

"Man kann da jetzt nicht einer anderen Person die Schuld geben."

Im direkten Chat verkauft Julia dann anderen eine Mitgliedschaft bei MarketPeak, einer vermeintlichen Schulungs- und Vertriebsplattform rund um Krypto-Trading. Julia Slatin hat selbst vor etwa einem Jahr so eine Mitgliedschaft gekauft. Diese könne bis zu 15.000 Dollar kosten. Wie geht Julia mit der Verantwortung um, dass ihre KundInnen auf ihr Anraten auch viel Geld verlieren könnten? „Es ist die freie Entscheidung eines jeden, ob er jetzt sein Geld da hinein investiert oder nicht. Man kann da jetzt nicht einer anderen Person die Schuld geben. Nach jedem tieferen Tiefpunkt kommt auch wieder ein höheres Hoch.“

Auch das ist eine typische Masche von InfluencerInnen, die dem Konsumentenschutz ein Dorn im Auge ist: Menschen ohne Finanzbildung „bilden“ andere, übernehmen aber keine Verantwortung für das, was sie da empfehlen. Denn die FollowerInnen hätten sich ja ganz von selbst und freiwillig dazu entschieden.

Betrügereien per Direktnachricht

Damit obliegt es aber jedem und jeder einzelnen, den empfohlenen Investments hinterher zu recherchieren. Zu MarketPeak, dem Krypto-Unternehmen, das Julia Slatin empfiehlt, findet man zum Beispiel auf der Bewertungsplattform „Trustpilot“ einige kritische Stimmen. Sie reichen von „Finger weg“ bis „raffiniert getarntes Pyramidensystem“. Krypto-Experten warnen sogar vor MarketPeak. Die Recherche einer Rechtsanwaltskanzlei zeigte etwa, dass unter der im Impressum angegebenen Geschäftsanschrift „Dubai Silicon Oasis“ kein Unternehmen namens MarketPeak auffindbar ist.

"Meistens sprechen die von Fachbegriffen, mit der der Laie sich gar nicht auskennt."

Aber wie sollen Laiinnen oder Laien so etwas überhaupt beurteilen? Oft werden Menschen auf Social Media angesprochen und dann in einen privaten Chat gelockt. Hier werden dann Erfolgsbeispiele präsentiert und Druck ausgeübt. „Meistens sprechen die von einer ganz neuen Technik, einer neuen Idee oder von Kryptowährungen oder irgendwelchen Token, also von Fachbegriffen, mit der der Laie sich gar nicht auskennt“, sagt Thomas Mai, Finanzmarktexperte vom Bremer Verbraucherschutz. „Der Laie hat gleich Angst, etwas zu verpassen.“ Seit der Pandemie erreichen den Verbraucherschutz immer mehr Betrugsfälle, die über Social Media initiiert wurden. Der Schaden liegt in Millionen Höhe und wahrscheinlich ist erst die Spitze des Eisberges sichtbar. Auch weil Menschen, die aufgrund von unseriösen Finanzangeboten Geld verloren haben, sich schämen, ihre Gutgläubigkeit zuzugeben.

Nur investieren, was man verlieren kann

Gemeinsam haben die meisten Angebote: Die Verantwortung wird allein den Menschen zugeschoben, die ihr Geld anlegen, kritisiert Christian Prantner von der Wiener Arbeiterkammer. „Die sagen: Wir bieten keine Anlageberatung und damit gibt es natürlich auch keine Haftung, wenn etwas schiefläuft. Und diese scheinbare Leichtigkeit, die da im Internet unterwegs ist, die bietet natürlich keine Renditen und hohen Erträge, sondern ich glaube, dass da viele, viele Lehrgeld bezahlen.“

Zwei Faustregeln sollte man sich für das Investment merken: nur in etwas investieren, dessen Geschäftsmodell man auch verstanden hat - angeblich stammt das vom Star-Investor Warren Buffet. Und: nur so viel investieren, wie man auch verlieren kann. Daran hält sich auch Stefan Matthias bei seinen ETFs: „Ich kann damit leben, wenn das Geld weg ist. ich schau schon, dass da nicht mein Leben davon abhängt. Das Problem mit dem Investieren hat man ja nur, wenn man zu viel Geld hat. Jemand, der auf das nächste Gehalt wartet, um irgendwie einkaufen gehen zu können, macht sich keine Gedanken darüber. Insofern bin ich entspannt, aber natürlich enttäuscht, wenn’s weg ist.“

Gestaltung: Irmi Wutscher und Johanna Hirzberger