Umarmung

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Die gesundheitliche Bedeutung von Berührungen

Kaum soziale Kontakte, keine Umarmungen, nur wenig körperliche Nähe: Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist vielen der Wert zwischenmenschlicher Berührungen bewusst geworden.

Oftmals schmerzhaft bewusst, wie die Soziologin Barbara Rothmüller von der Sigmund Freud Universität bei Befragungen festgestellt hat. „Gerade was kuscheln, Umarmungen und körperliche Zärtlichkeiten betrifft, gab es tatsächlich in der Bevölkerung ein steigendes Bedürfnis in den Lockdowns, auch körperliche Nähe zu leben.“

Soziale Isolation und Einsamkeit

Während der Lockdowns seien Paare im Allgemeinen zufriedener mit ihren intimen Beziehungen gewesen als Singles, sagt Barbara Rothmüller. Grund dafür war die Verfügbarkeit von körperlicher Nähe. Viele Singles seien wochenlang nicht umarmt oder berührt worden.

Wird dieser Verlust oder Entzug von körperlichen Berührungen als belastend empfunden, spricht man von Berührungsdeprivation. Sie kann zu starken Gefühlen von sozialer Isolation und Einsamkeit führen, chronischen Stress auslösen oder mit depressiven Symptomen einhergehen. Viele hätten Strategien entwickelt, um damit umzugehen, erzählt die Soziologin. „Manche Menschen haben gesagt: Ja, meine Katze hat mich durch diesen Lockdown getragen und quasi gerettet, weil sie sich sonst sehr, sehr einsam gefühlt hätten.“

Die beruhigende Wirkung von Berührungen

Berührt oder gestreichelt zu werden tut gut. Es beruhigt und reduziert Stress. In der Haut geben viele verschiedene Rezeptoren Informationen weiter: Druck, Schmerz, Vibration - und auch Streicheleinheiten. Darauf spezialisiert sind die C-taktilen Nervenfasern. Sie leiten Impulse langsamer weiter als die A-taktilen Fasern, die für den klassischen Tastsinn zuständig sind. Dafür reagieren sie besonders stark auf Reize, die einem Streicheln entsprechen, berichtet die Neurowissenschaftlerin Rebecca Böhme von der Universität Linköping. „Wenn mich jemand, der mir nahesteht, umarmt hat und danach muss ich in eine stressvolle Situation, dann kann man sehen, dass die Menschen, die vorher eine Berührung erhalten haben, dass die tatsächlich weniger Cortisol im Blut haben.“ Auch Herzschlag und Atmung würden sich verlangsamen, wenn wir berührt werden.

Die C-taktilen Nervenfasern vermitteln ein Gefühl der Geborgenheit und sie aktivieren auch das Belohnungszentrum im Gehirn; Wir wollen mehr davon, sagt Ilona Croy, Professorin für klinische Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zudem seien Berührungen ein wichtiges Kommunikationsmittel. Berührung würde sofort zu Aufmerksamkeit führen. Berührt man jemanden zur Begrüßung, komme man dieser Person außerdem so nahe, dass man sie auch riecht und ihre Körperspannung spürt. „Wir signalisieren durch eine Berührung jemanden anderen: Ich vertraue dir, deshalb lasse ich dich so nah an mich dran, ich schenke dir meine Aufmerksamkeit und gleichzeitig kriege ich ein paar Informationen von dir, die du mir vielleicht gar nicht geben wolltest, über deine Gerüche, Körperspannung usw.“

Wie nahe darf jemand kommen?

Bereits vor ein paar Jahren hat Ilona Croy zusammen mit Kolleginnen und Kollegen anhand von tausenden Testpersonen aus mehr als 40 Ländern untersucht, wie nah Personen einander kommen, was ihr bevorzugter Abstand zu anderen ist und wie häufig sie einander berühren. Diese Forschung hat das Team nun, nach Ausbruch der Coronapandemie, wiederholt.

Der Abstand habe sich vergrößert. „Wenn ich mich früher damit wohlgefühlt habe, einen Freund auf eine Distanz von einen Meter an mich heranzulassen und alles, was näher war, fand ich ein bisschen komisch. Dann ist das jetzt so, dass ich denjenigen nur noch auf einen Meter 50 an mich ranlasse.“ Was Berührungen betrifft, hätte sich jedoch nicht allzu viel geändert, sagt die Forscherin. Viele Probandinnen und Probanden gaben an, ihre Freunde weiterhin zu umarmen.

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