Bolsenasee

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Ambiente

Die fragile Schönheit des Lago di Bolsena

Tief unter dem Lago di Bolsena befindet sich ein Vulkan oder das, was von ihm übriggeblieben ist. Vor schätzungsweise 300.000 Jahren hat sich der See in einem Krater gebildet, heute ist er mit einer Fläche von 114 Quadratkilometern der größte See vulkanischen Ursprungs in Europa.

Der Lago liegt in Latium, nicht weit von der umbrischen und toskanischen Grenze. Latiums Provinzhauptstadt, Viterbo, und die berühmte umbrische Stadt Orvieto sind je 20 km entfernt, Italiens Metropole Rom gerade einmal 100.

„Es ist fast ein Wunder, dass dieser See noch nicht vom Massentourismus eingeholt wurde."

Umgeben wird der Lago von den Volsiner Bergen, die ebenfalls Vulkanausbrüchen zu verdanken sind. Eine überaus reizvolle, teils noch unberührte Natur trifft hier auf die Kultur der Etrusker, die vom achten bis ins vierte vorchristliche Jahrhundert das dominante Volk in Mittelitalien waren.

„Es ist fast ein Wunder, dass dieser See noch nicht vom Massentourismus eingeholt wurde“, sagt der deutsche Maler Michael Franke, der einen Teil des Jahres hier verbringt und künstlerisch auf den Spuren der Etrusker wandelt. Tatsächlich haben hier strenge Gesetze viele Bau- und Umweltsünden verhindert. Von der Terrasse seines Domizils unterhalb des 2.500-Seelen-Städtchens Grotte di Castro hat man einen fantastischen Blick auf den See und die beiden unbewohnten Inseln, Isola Martana und Isola Bisentina. Doch es ist ein bedrohtes Idyll, um das seit den 1960er Jahren immer wieder gekämpft wird.

Bolsenasee

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Bedrohtes Paradies

Damals wollte man sämtliche mittelitalienischen Seen zu Speicheranlagen für ein Atomkraftwerk umfunktionieren. Das konnte durch eine Handvoll Menschen, allen voran den heute 95-jährigen Piero Bruni, verhindert werden. Er hat seine Mitstreiterin Rosella di Stefano, Lehrerin und Autorin, und den aus München stammenden Physiker Georg Wallner, der als Biobauer am Lago lebt, zu dem Gespräch im Hotel Caminetto bei Montefiascone mitgebracht. Gemeinsam können sie große Erfolge verzeichnen. Beispielsweise wurde der um den See laufende Abwasserkanal nach ihrer Intervention beim EU-Parlament saniert. Aber die Probleme hören nie auf, sagt Piero Bruni. Denn in Castel Giorgio, nahe am See, ist ein geothermisches Kraftwerk geplant, das nur das erste von vielen sein soll. Die EU fördert geothermische Kraftwerke als nachhaltig und grün.

Protest gegen das geothermische Kraftwerk.

Protest gegen das geothermische Kraftwerk

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Hohes Risiko für schwere Erdbeben

Ob das der Vulkan unter dem See auch so empfindet, oder ob er sich womöglich gestört fühlt? Geothermische Kraftwerke seien nicht per se abzulehnen, erklärt Georg Wallner. Aber hier, an dieser Bruchlinie tektonischer Schichten von Siena über Radicofani bis Soriano nel Cimino, sei das Risiko, dadurch schwere Erdbeben auszulösen, sehr hoch. Das sagen auch andere namhafte Wissenschafter:innen. Und davon konnten auch 30 Bürgermeister und Bürgermeisterinnen der Region überzeugt werden. Sie und viele Bürger:innen haben sich den Protesten angeschlossen, und der regionale Verwaltungsgerichtshof hat den Bau gestoppt. Ein Etappensieg, denn der Staatsrat hat dem Einspruch der Betreiber stattgegeben und den Stopp wieder aufgehoben. Trotzdem denkt hier niemand ans Aufgeben.

Fischen heißt hoffen

Auch der Fischer und Autor Paolo, der unter dem Pseudonym Luis Contenebra von der Region und ihrer Geschichte inspirierte Bücher schreibt, denkt nicht ans Aufgeben. Er lebt im „borgo dei pescatori“ in Marta, wo die Fischereiboote liegen. Mit Mitte 40 ist er der Jüngste von allen dort, denn die Fischerei ist ein harter Job, sagt er, besonders im Winter. An schlechten Tagen fängt er gerade genug Fische, um das Benzin für sein Boot zu zahlen. Aber fischen heißt hoffen, sagt er. Und es gibt gute Tage, nicht nur fürs Fischen, sondern auch fürs Schreiben. Dann stellt er den Motor ab, lässt sich treiben und tippt in sein Tablet.

Gestaltung: Eva Schobel